Die winterliche Räum- und Streupflicht gilt nicht erst dann, wenn eine allgemeine Glätte vorliegt, sondern bereits bei einer ernsthaften lokalen Glätte. Das Kammergericht Berlin entschied kürzlich, dass dieses auch für einen Dritten gilt, der die Winterdienstpflicht für den primär Verantwortlichen übernommen hat.

 Der Entscheidung des Kammergerichtes Berlin, Urteil vom 6. Dezember 2022 Aktz. 21 U 56/22 – lag der folgende Sachverhalt zugrunde. Am späteren Vormittag an einem Tag im Dezember 2020 kam eine etwa 69-jährige Frau auf einem Klinikgelände in Berlin wegen Glatteises zu Fall und verletzte sich. Sie erlitt einen Riss der Sehne zwischen Oberschenkelmuskel und Kniescheibe. Das gesamte Gelände war aufgrund von Glätte rutschig und nicht gestreut worden. Die Winterdienstpflicht war auf eine Firma übertragen worden. Die Frau klagte gegen die Trägerin der Klinik und der Winterdienstfirma auf Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 20.000 €.

Das Landgericht Berlin wies die Klage ab. Seiner Auffassung nach komme allein eine Haftung der Winterdienstfirma in Betracht. Eine Haftung sei aber ausgeschlossen, da die Klägerin nicht dargelegt habe, dass am Unfalltag allgemeine Glätte in Berlin herrschte und für die Beklagte konkrete Anhaltspunkte für eine Gefahr aufgrund einzelner Glättestellen bestanden habe. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Berufung der Klägerin.

Die Richter des Kammergerichtes Berlin entschieden nun zu Gunsten der Klägerin. Ihr stehe ein Anspruch auf Schmerzensgeld zu. Die beklagte Winterdienstfirma habe ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Es komme dabei nicht darauf an, ob eine allgemeine Glätte herrschte. Denn die Beweisaufnahme habe gezeigt, dass seit ca. 9 Uhr bis zum Unfallzeitpunkt das Gelände der Klinik verreist und deshalb sehr rutschig war. Die Beklagte hätte daher spätestens um 10 Uhr streuen müssen. Zwar sei zuzugeben, so die Richter des Kammergerichtes, dass von der Beklagten nicht verlangt werden könne, an einem Tag, an dem keine allgemeine Glätte herrscht, sämtliche Flächen in ihrem Winterdienstgebiet vorsorglich auf ernsthafte lokale Glättegefahren hin zu kontrollieren. Dies sei für den vorliegenden Fall aber unerheblich. Denn die primär Streupflichtige vor Ort hätte spätestens um 10 Uhr auf die ernsthafte Glättegefahr reagieren müssen.

Das Kammergericht erachtete ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 € für angemessen. Es berücksichtigte dabei, dass die Klägerin für mehrere Tage über Weihnachten 2020 in ambulanter Behandlung war, sich operieren lassen musste und danach über mehrere Monate einen schwierigen Heilungsverlauf erdulden musste. Sie musste sich zudem wiederholten Arztbesuchen und Reha Maßnahmen unterziehen und war über mehrere Wochen auf eine Gehhilfe angewiesen.