Paralleler Internetvertrieb des Herstellers
Immer öfter kommt es vor, dass von Handelsvertretern vertretene Unternehmen selbst parallel auch im Internet die eigenen Produkte verkaufen. Im Zuge dessen stellt sich die Frage, inwieweit der vertretene Unternehmer bei der Wahl dieser parallelen Vertriebswege Beschränkungen unterliegen kann oder sogar eine vertragliche Verpflichtung des Unternehmers besteht, diesen Wettbewerb zu unterlassen.
Es ist keine neue Erscheinung, dass sich Hersteller oder auch Importeure von Waren dazu entscheiden, mehrere Vertriebswege parallel zu nutzen, also z. B. die Abnehmer der Produkte einerseits über Groß- und Einzelhändler und andererseits auch direkt beliefern zu wollen. Durch solche Direktgeschäfte wurden stets die Absatzmöglichkeiten der vom Unternehmer eingesetzten Handelsvertreter eingeschränkt. Die Tatsache der immer weiter ansteigenden Umsätze im Onlinegeschäft haben jedoch Dimensionen erreicht, die mit dem Umfang von Direktgeschäften vor dem Internetzeitalter nicht zu vergleichen sind.
Grundsatz der Dispositionsfreiheit
Grundsätzlich steht es jedem Hersteller frei, den Absatz seiner Erzeugnisse so zu organisieren, wie es ihm am zweckmäßigsten erscheint. Der Unternehmer besitzt die sog. Dispositions- und Entschließungsfreiheit über sein Unternehmen und dessen Geschäftspolitik. Dabei deckt der Entscheidungsspielraum des Unternehmers durchaus auch Maßnahmen, die sich im Nachhinein als verfehlt herausstellen können. Der Unternehmer alleine kann deshalb auch darüber entscheiden, welche Vertriebswege er – auch parallel – zur Vermarktung seiner Produkte auswählt oder ob er die Vertriebswege zukünftig ändern will.
Allerdings begibt sich der Unternehmer seiner Gestaltungsfreiheit in einem noch zu bestimmenden Umfang, wenn er sich entschließt, seine Produkte durch Handelsvertreter vermarkten zu lassen. Da auch der Handelsvertreter Arbeit und Kosten in eine auf längere Zeit geplante Vermittlungstätigkeit investiert, hat der Unternehmer auf dessen Belange in gewisser Weise Rücksicht zu nehmen. Von unternehmerischen Entscheidungen, die den Geschäftsbetrieb des Handelsvertreters betreffen, muss er diesen zumindest rechtzeitig unterrichten, damit sich dieser entsprechend darauf einstellen kann.
Aus der Treue- und Fürsorgepflicht des vertretenen Unternehmers folgert die Rechtsprechung die Pflicht zur Rücksichtnahme gegenüber dem Handelsvertreter. Untersagt sind dem vertretenen Unternehmer damit insbesondere willkürliche Maßnahmen ggf. sogar mit Schädigungsabsicht. Der Unternehmer darf sich damit nicht ohne vertretbaren Grund über schutzwürdige Belange der eingesetzten Vertriebsmittler hinweg setzen.
Fürsorge- und Rücksichtnahmepflicht des Unternehmers
Daraus folgt eine Wechselwirkung zwischen den Rechten beider Parteien. Es entsteht ein Spannungsverhältnis, welches es aufzulösen gilt. Der Unternehmer bestimmt zwar die Leitlinien der Vertriebspolitik. Setzt er jedoch selbständige Vertriebsmittler ein, muss er bei seiner Vertriebspolitik Rücksicht auf deren Interessen nehmen. Er muss sich daher fragen, ob den schutzwürdigen Belangen des Handelsvertreters oder den eigenen notwendigen betrieblichen Entscheidungen, die zu einer Beeinträchtigung der Rechte des Handelsvertreters führen könnten, der Vorrang gebührt. Beabsichtigt der vertretene Unternehmer gleichzeitig mehrere Vertriebswege zu nutzen, muss er diesen Konflikt zwischen seiner Entschließungsfreiheit und der Rücksichtnahmepflicht lösen und dementsprechende vertragliche Vereinbarungen treffen. Der Umfang der Fürsorge- und Rücksichtnahmepflicht begrenzt also seine Dispositionsfreiheit, Parallelvertrieb im Internet zu unternehmen. Will der Unternehmer seine Dispositionsfreiheit in vollem Umfang wieder herstellen, hat er die Vertriebsverträge dementsprechend zu kündigen mit der Folge, dass er dann ggf. einen Ausgleichsanspruch gemäß § 89b HGB an den Handelsvertreter zu leisten hat.
Je enger der Handelsvertreter in die Absatzorganisation des vertretenen Unternehmers eingebunden wird, desto weiter reicht auch sein Schutz, d.h. ein wichtiges Kriterium ist die Intensität der bestehenden Vertragsbeziehungen. Ebenfalls können getätigte Aufwendungen und Investitionen, die der Handelsvertreter im Vertrauen auf das Bestehen des Handelsvertretervertrages, um seine Vertragspflichten gegenüber seinem vertretenen Hersteller erfüllen zu können, wichtige Kriterien sein, die den Schutzumfang vor einem parallelen Internetvertrieb des Herstellers erweitern können.
Vertragliche Verpflichtung zur Unterlassung von Wettbewerb
Ein Wettbewerb des Unternehmers gegenüber seinem Handelsvertreter ist unzulässig, falls diesem vertraglich Freiheit von solchem Wettbewerb zugesagt wurde. Die mildeste Ausgestaltung ist das Verbot andere Handelsvertreter bzw. Mittler im Vertragsgebiet einzusetzen bzw. zu beliefern. Die intensivere Ausgestaltung ist das zusätzlich an den Unternehmer gerichtete Verbot, im Vertragsgebiet tätig zu werden, womit Direktgeschäfte unzulässig wären. Dem Handelsvertreter ist damit ein Ausschließlichkeitsrecht zum Vertrieb eingeräumt, der parallele Internetverkäufe des Herstellers unzulässig werden lässt. Erforderlich hierfür ist jedoch eine hinreichend deutliche Abrede in den vertraglichen Bestimmungen. Die Bezeichnung als Generalvertreter reicht insoweit nicht aus. Auch die Bezeichnung als Bezirksvertreter genügt nicht, um ein Wettbewerbsverbot des Unternehmers anzunehmen. Die Bezeichnung als Alleinvertreter soll regelmäßig nicht nur den Wettbewerb durch andere Vertriebsmittler, sondern auch durch den Unternehmer selbst ausschließen. Dies entspricht im Übrigen auch der Bezeichnung in den Musterverträgen der CDH.
Lassen die getroffenen vertraglichen Regelungen Zweifel zu, fehlt es an einem Wettbewerbsverbot des Unternehmers. Ist jedoch ein echtes Alleinvertriebsrecht vertraglich vereinbart, so besteht ein absolutes Direktlieferungsverbot des Herstellers von dem auch der Parallelvertrieb über das Internet erfasst wird.
Nur der echte Alleinvertreter ist vor Direktgeschäften des vertretenen Unternehmens geschützt. Handelsvertreter mit Bezirks- oder Kundenschutz sind bei Internetverkäufen zumindest provisionsrechtlich geschützt. Handelsvertreter ohne solchen Schutz sind auch nicht schutzlos, müssen allerdings hinnehmen, dass das vertretene Unternehmen zu denselben Konditionen auch über das Internet verkauft, ohne dass ein Provisionsanspruch entsteht.
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