Wird bei einem Kettenauffahrunfall infolge eines Staus auf einer Autobahn ein Beifahrer auch dadurch verletzt, dass das Fahrzeug auf ein weiteres Fahrzeug aufgeschoben wird, so haftet auch dessen Fahrzeughalter aus Gefährdungshaftung. So haben es kürzlich die Richter des OLG Celle entschieden.
Bei einem Auffahrunfall wegen eines Staus verwirkliche sich das typische Gefährdungspotential, weswegen § 7 Abs. 1 StVG mit der darin beinhalteten Gefährdungshaftung erlassen wurde. So hafte auch der Fahrzeughalter des Fahrzeuges laut einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle – Urteil vom 10. Mai 2023 Aktz. 14 U 56/21 auf das ein weiteres Fahrzeug bei einem Kettenauffahrunfall aufgeschoben wurde.
Dem entschiedenen Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im August 2018 kam es auf einer Autobahn in Niedersachsen zu einem Kettenauffahrunfall infolge eines Staus. Dabei fuhr einem VW Golf ein von hinten kommendes Fahrzeug auf. Der VW Golf wurde daraufhin auf ein vor ihm stehenden Seat Ibiza geschoben. Im VW Golf saß als Beifahrer ein zweijähriges Kind. Dieses wurde bei dem Unfall schwer verletzt und klagte unter anderem gegen den Halter des Seat Ibiza und dessen Haftpflichtversicherung auf Zahlung von Schadensersatz.
Das Landgericht Hannover hatte zuvor die Klage abgewiesen. Es sah eine Fahrzeughalterhaftung nach § 7 Abs. 1 StVG für nicht gegeben, da der Unfall nicht bei Betrieb des Seat entstanden sei. Dagegen richtete sich die Berufung des Klägers.
Das Oberlandesgericht Celle hat nun zu Gunsten des Klägers entschieden. Ihm stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz zu. Der Unfall sei bei dem Betrieb des Seat entstanden, so dass die Gefährdungshaftung des § 7 Abs. 1 StVG greife. Das Fahrzeug habe seiner Fortbewegungs- und Transportfunktion als Verkehrsmittel gedient als sich der Unfall ereignete. Es habe insofern im Sinne einer Mitursächlichkeit durch seinen Betrieb zu dem Unfallgeschehen beigetragen.
Soweit die Beklagte anführte, dass der Unfall nichts mit der spezifischen Gefährdung eines Fahrzeugs zu tun habe, folgten die Richter des Oberlandesgerichts Celle dem nicht. Die Gefährdungshaftung des § 7 StVG ziele gerade darauf ab, das Gefahrenpotential zu erfassen, das entsteht, wenn sich Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr bewegen. Geradezu typische risikoreiche Situationen entstehen auf Autobahnen, auf denen viele Verkehrsteilnehmer ihre Fahrzeuge mit hohen Geschwindigkeiten fahren. Entsteht sodann am Ende eines plötzlich aufgebauten Staus ein Auffahrunfall, habe sich genau das Risiko verwirklicht, für das die Vorschrift erlassen worden sei.