Kommt es zu einer beidseitigen Fahrbahnverengung (Gefahrenzeichen 120), so besteht kein Vorrang eines der beiden bisherigen Fahrstreifen. Vielmehr gilt das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme gemäß § 1 Abs. 2 StVO. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.
Im zugrundeliegenden Fall kam es auf einer zweispurigen Straße im Zusammenhang mit einer beidseitigen Fahrbahnverengung (Gefahrenzeichen 120) zu einem Verkehrsunfall. Die Fahrerin eines Pkw befuhr mit ihrem Fahrzeug den rechten Fahrstreifen, während ein Lkw-Fahrer mit seinem Fahrzeug die linke Fahrspur befuhr. Der Lkw-Fahrer zog mit seinem Fahrzeug nach rechts und übersah dabei den Pkw, wodurch es zu einem Zusammenstoß mit dem Pkw kam. Die Haftpflichtversicherung des Lkw-Fahrers regulierte den Schaden auf Basis einer Haftungsverteilung von 50:50. Die Halterin des Pkw hielt sich für vorfahrtsberechtigt und klagte daher auf Zahlung des vollen Schadensersatzes.
Sowohl das Amtsgericht Hamburg-Harburg als auch das Landgericht Hamburg wiesen die Klage auf Zahlung der Differenz zu einer hundertprozentigen Haftung der Beklagten ab. Dagegen richtete sich die Revision der Klägerin.
Der Bundesgerichtshof bestätigte mit Urteil vom 8. März 2022 unter dem Aktenzeichen VI ZR 47/21 die Entscheidung der Vorinstanz. Die hälftige Haftungsverteilung sei nicht zu beanstanden. Eine volle Haftung des Beklagten komme nicht in Betracht. Bei einer beidseitigen Fahrbahnverengung gelte allein das Gebot der wechselseitigen Rücksichtnahme. Auch bei zwei gleichauf in die Engstelle fahrenden Fahrzeugen ergebe sich kein regelhafter Vortritt des rechts fahrenden Fahrzeugs. Werden beide Fahrstreifen in einem Fahrstreifen überführt, so der Bundesgerichtshof, sei das Durchfahren der Engstelle für sich genommen nicht mit einem Fahrstreifenwechsel im Sinne des § 7 Abs. 5 StVO verbunden. Es greife auch nicht das Reißverschlussverfahren nach § 7 Abs. 4 StVO.