Laut einer Entscheidung des EuGH vom 10. Februar 2022 Aktz. C 9/20 ist Art. 167 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2010/45/EU des Rates vom 13. Juli 2010 geänderten Fassung (MwStSystRL) dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der das Recht auf Vorsteuerabzug bereits im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes entsteht, wenn der Steueranspruch gegen den Lieferer oder Dienstleistungserbringer nach einer nationalen Abweichung gemäß Art. 66 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL erst bei Vereinnahmung des Entgelts entsteht und dieses noch nicht gezahlt worden ist.

Das Finanzgericht Hamburg hatte diese Frage dem EuGH in einem Vorabentscheidungsersuchen bereits mit Beschluss vom 10. Dezember 2019 Aktz. 1 K 337/17 vorgelegt. Die Entscheidung hat erhebliche Bedeutung für die deutsche Umsatzbesteuerungspraxis, die mit dem Urteilsspruch beeinträchtigt wird. Ihr zufolge ist § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG unionsrechtswidrig, weil die deutsche Regelung nicht mit Art. 167 MwStSystRL in Einklang steht. Danach entsteht das Recht auf Vorsteueranspruch, „wenn der Anspruch auf die abziehbare Vorsteuer entsteht“. Der Steueranspruch entsteht bei antragsgemäßer Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten gem. § 20 UStG (nach § 66 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL zulässige Kann-Regelung) erst im Zeitpunkt der Entgeltsvereinnahmung. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG sieht als Zeitpunkt für den Vorsteuerabzug jedoch bereits den Zeitpunkt vor, in dem die umsatzsteuerbare Leistung erbracht ist (obwohl die Umsatzsteuerpflicht erst später eintritt). Das UStG muss folglich geändert werden. Solange es unverändert fortbesteht, können sich die Leistungsempfänger darauf berufen unter Bezugnahme auf diese Entscheidung des EuGH.

Die Entscheidung des EuGH finden Sie hinter nachstehendem Link: https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=253721&pageIndex=0&doclang=DE&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=160693