Anhand äußerer Kriterien ist eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 22 km/h nicht zwingend wahrnehmbar, so dass der Vorwurf des vorsätzlichen Geschwindigkeitsverstoßes damit im Zweifel nicht begründet werden kann. Dies hat kürzlich das Oberlandesgericht Zweibrücken entschieden. Mehr
Der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Zweibrücken lag folgender Sachverhalt zugrunde: In einer Nacht im August 2021 überschritt ein Autofahrer auf einer Autobahn in Rheinland-Pfalz die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 22 km/h. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit war aufgrund einer Baustelle herabgesetzt worden. Das Amtsgericht Kaiserslautern verurteilte den Betroffenen wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 140 €. Seiner Meinung nach, habe der Betroffene aufgrund der sensorischen Eindrücke, des Motorengeräuschs, der Fahrzeugvibration und der Schnelligkeit der Änderung der Umgebung die Geschwindigkeitsüberschreitung erkannt und diese billigend in Kauf genommen. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen.
Das Oberlandesgericht Zweibrücken mit Beschluss vom 11.07.2022 unter dem Aktz. – 1 OWi 2 SsBs 39/22 zu Gunsten des Betroffenen. Die Begründung des Amtsgerichts zum Vorsatzvorwurf sei nicht tragfähig. Zwar könne bei einer Übertretung von mindestens 40 % der angeordneten Höchstgeschwindigkeit davon ausgegangen werden, dass der Betroffene die Überschreitung kennt. Bei einer solchen erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung könne in der Regel davon ausgegangen werden, dass der Fahrer anhand der Motorengeräusche, der sonstigen Fahrgeräusche, der Fahrzeugvibration und der Schnelligkeit der Änderung der Umgebung zuverlässig einschätzen könne, dass er die erlaubte und ihm bekannte zulässige Höchstgeschwindigkeit wesentlich überschreitet.
Der Betroffene habe hier die zugelassene Höchstgeschwindigkeit zwar um ca. 37 % überschritten. Aber, so das Oberlandesgericht, eine vergleichsweise niedrige Übertretung von 22 km/h sei in diesem Geschwindigkeitsbereich nicht ohne weiteres erkennbar. Die sensorisch wahrnehmbaren Merkmale eines zu schnellen Fahrens fallen umso geringer aus, je geringer der Abstand zwischen zugelassener und tatsächlicher Geschwindigkeit ausfällt. So sei eine Differenz zwischen erlaubter 100 km/h und tatsächlich gefahrener 140 km/h für den Fahrer weit deutlicher erkennbar, als eine Differenz zwischen 60 km(h und 84 km/h, obwohl das relative Maß der Überschreitung jeweils gleich ist. Dies gelte erst recht innerhalb einer Baustelle, bei der aufgrund von Fahrbahnunebenheiten auch bei Einhaltung der erlaubten Geschwindigkeit regelmäßig mit höheren Fahrgeräuschen zu rechnen sei.