Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 10.03.2021 entschieden, dass die von Bund und Ländern für Kleinstunternehmer und Selbständige gezahlten Corona-Soforthilfen nicht gepfändet werden dürfen. Die Soforthilfen werden nämlich allein zur Sicherung der Existenz des Unternehmers oder des Selbständigen gewährt und nicht für bestehende Forderungen von Gläubigern.
Im konkreten Fall ging es um einen Selbständigen, der bei einem Gläubiger mehr als 12.000 Euro Schulden hatte. Der Mann hatte ein Pfändungsschutzkonto eingerichtet, für das grundsätzlich ein Pfändungsfreibetrag von 1.178 Euro je Kalendermonat gilt. Wegen coronabedingter wirtschaftlicher Schwierigkeiten hatte der Schuldner aus dem Bundesprogramm „Corona-Soforthilfen für Kleinstunternehmen und Selbständige“ sowie aus dem Landesprogramm „NRW-Soforthilfe 2020“ 9.000 Euro auf dem Pfändungsschutzkonto gutgeschrieben bekommen. Der Gläubiger wollte das Geld pfänden lassen, aber ohne Erfolg. Der Bundesgerichtshof entschied, dass die Soforthilfe pfändungsfrei ist.
Der BGH führte zu folgenden Gesichtspunkten näher aus:
- Zu Recht geht das Beschwerdegericht davon aus, dass es sich bei der Corona-Soforthilfe um eine nach § 851 Abs. 1 ZPO nicht pfändbare Forderung handelt. Im Hinblick auf die Verwirklichung der mit der Corona-Soforthilfe verbundenen Zweckbindung ist hinsichtlich des auf dem Pfändungsschutzkonto der Schuldnerin gutgeschriebenen Betrags in Höhe von 9.000 € der Pfändungsfreibetrag in entsprechender Anwendung des § 850k Abs. 4 ZPO zu erhöhen.
- Die Corona-Soforthilfe ist ausweislich der ihr zugrundeliegenden Bestimmungen als zweckgebunden einzustufen (vgl. u.a. BFH, Beschluss v. 9.7.2020 – VII S 23/20; LG Köln, Beschluss v. 23.4.2020 – 39 T 57/20).
- Zur Beurteilung der Zweckbindung der Corona-Soforthilfe sind der Bewilligungsbescheid und die Programme des Bundes und der Länder heranzuziehen. Ausweislich dieser Programme und des diese umsetzenden Bescheids dient die Corona-Soforthilfe, bei der es sich um eine Billigkeitsleistung als freiwillige Zahlung ohne Rechtsanspruch handelt (1.2 und 1.3 NRW-Soforthilfe 2020, Ministerialblatt – MinBl – Nordrhein-Westfalen 2020, S. 360), der Abmilderung der finanziellen Notlagen des betroffenen Unternehmens beziehungsweise des Selbständigen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie.
- Sie soll nicht laufenden Lebensunterhalt abdecken, sondern insbesondere Liquiditätsengpässe, die seit dem 1.3.2020 im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie entstanden sind, überbrücken. Ausdrücklich nicht umfasst sind nach dem Bescheid vor dem 1.3.2020 entstandene wirtschaftliche Schwierigkeiten bzw. Liquiditätsengpässe. Aus den Bestimmungen zur Beihilfegewährung geht hervor, dass die Corona-Soforthilfe nicht der Befriedigung von Gläubigeransprüchen dient, die – wie im Streitfall – vor dem 1.3.2020, sondern nur solchen, die seit dem 1.3.2020 entstanden sind. Die Mittel sind zur Finanzierung von Verbindlichkeiten für fortlaufende erwerbsmäßige Sach- und Finanzausgaben vorgesehen, wobei die Entscheidung darüber, welche Ausgaben damit getätigt werden und in welcher Reihenfolge damit Forderungen erfüllt werden, nach den Förderbestimmungen allein dem Empfänger der Soforthilfe obliegt, der eine zweckentsprechende Verwendung später auch zu verantworten hat.
- Die besondere Zweckbindung rechtfertigt es, die Gewährung der Corona-Soforthilfe der Auszahlung einer der Sicherung des Lebensunterhalts dienenden Sozialleistung gleichzustellen mit der Folge, dass auf Antrag des Schuldners in entsprechender Anwendung des § 850k Abs. 4 ZPO der pfändungsfreie Betrag um den Betrag der gewährten Soforthilfe zu erhöhen ist.
Den Beschluss in vollständiger Fassung finden Sie hier