Ist für einen Linksabbieger die Sicht auf den Gegenverkehr durch ein anderes Fahrzeug behindert, so darf dieser nur unter besonderer Vorsicht den Gegenverkehr kreuzen. Zudem dürfen links abbiegende Fahrzeug rechts überholt werden. Dies hat das Landgericht Saarbrücken kürzlich in einem Berufungsverfahren entschieden.
Dem Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 10. November 2023 lag der folgende Sachverhalt zugrunde: Im Mai 2021 kam es auf einer Kreuzung im Saarland zu einem Verkehrsunfall zwischen einem Pkw und einem Motorrad. Die Pkw-Fahrerin wollte nach links abbiegen. Zur gleichen Zeit beabsichtigte eine entgegenkommende Fahrzeugführerin aus ihrer Sicht ebenfalls nach links abzubiegen. Dieses Fahrzeug wurde vom Motorradfahrer rechts überholt. Um eine Kollision mit der Pkw-Fahrerin zu vermeiden, bremste der Motorradfahrer und rutschte in den Pkw hinein. Die Fahrerin klagte schließlich gegen Motorradfahrer und dessen Haftpflichtversicherung auf Zahlung von Schadensersatz.
Das Amtsgericht Saarbrücken wies die Schadensersatzklage in erster Instanz ab. Die Klägerin hafte alleine für die Unfallfolgen, da sie ihre Sorgfaltspflicht aus § 9 Abs. 3 StVO missachtet habe, indem sie den Beklagten nicht habe durchfahren lassen. Gegen diese Entscheidung richtete sich die eingelegte Berufung der Klägerin.
Das Landgericht Saarbrücken bestätigte allerdings die Entscheidung des Amtsgerichts mit dem Urteil, welches unter nachstehendem Aktenzeichen veröffentlicht worden ist -13 S 33/23. Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Schadensersatz zu. Sie habe den Unfall wegen eines Verstoßes gegen § 9 Abs. 3 StVO allein verursacht. Dafür spreche der Beweis des ersten Anscheins.
Zwar könne dieser Anscheinsbeweis erschüttert werden, so das Landgericht, wenn der Vorfahrtsberechtigte bei Beginn des Abbiegevorgangs für den Wartepflichtigen noch nicht sichtbar war. So habe der Fall hier aber nicht gelegen. Die Klägerin habe den Beklagten vielmehr aufgrund einer Sichtbehinderung durch das ebenfalls abbiegende Fahrzeug nicht erkennen können. Dieser Fall sei nicht geeignet, den Anscheinsbeweis zu erschüttern. Ist die Sicht auf den entgegenkommenden Verkehr ganz oder teilweise behindert, bestehe für den Abbiegenden eine gesteigerte Sorgfaltspflicht. Die Klägerin hätte sich langsam in den Kreuzungsbereich hineintasten müssen und hätte nicht darauf vertrauen dürfen, dass kein entgegenkommender Verkehr vorhanden ist.
Dem Beklagten sei nach Ansicht des Landgerichts kein Überholen bei unklarer Verkehrslage gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO anzulasten. Es habe für den Beklagten keinen Grund gegeben, nicht darauf vertrauen zu dürfen, dass sein Vorrecht als Geradeausverkehr von abbiegewilligen kreuzenden Fahrzeugführern beachtet würde. Das links abbiegende Fahrzeug habe von im daher rechts überholt werden dürfen.