Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat vor kurzem entschieden, dass Fahrzeuginsassen, die entgegen der Gurtpflicht gemäß § 21a Abs.1 der Straßenverkehrsordnung nicht angeschnallt sind und dadurch andere Mitfahrer verletzen, selbst haftbar gemacht werden können.

Der Entscheidung des OLG Köln lag folgender Sachverhalt zugrunde; der Versicherungsnehmer der Klägerin war stark alkoholisiert (Blutalkoholkonzentration: 1,76 Promille) und fuhr mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit (150 bis 160 km/h statt zulässiger 70 km/h). Ihm kam der mit drei Insassinnen besetzte Pkw Skoda entgegen, auf dessen Beifahrersitz die damals 36 Jahre alte Geschädigte saß und hinter der sich auf der Rückbank die nicht angeschnallte 38-jährige Beklagte befand. Der Versicherungsnehmer der Klägerin kam von der Fahrbahn ab und stieß mit dem Pkw Skoda zusammen, wobei unter anderem die Insassen des anderen Fahrzeugs schwere Verletzungen erlitten.

Die Richter des 3. Senates des OLG Köln haben mit Urteil vom 27. August 2024 unter dem Aktenzeichen 3 U 81/23 – eine Mithaftung der Beklagten für die unfallbedingten Verletzungen der Geschädigten grundsätzlich bestätigt. Die von § 21a Abs.1 Satz 1 Halbsatz 1 StVO geregelte Gurtpflicht stelle eine drittschützende Norm im Sinne des § 823 Abs.2 BGB dar, weil die Fahrzeuginsassen gerade auch vor den Folgen der Verletzung durch nicht angeschnallte andere Mitfahrer bewahrt werden sollen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehe von einem Mitverschulden des Geschädigten bei Verletzung der eigenen Gurtpflicht aus. Dies gelte – so der Senat – aber auch für Verletzungen anderer Fahrzeuginsassen.

Die gesetzliche Begründung für die Einführung der Gurtpflicht auf den Vordersitzen aus dem Jahre 1975 stelle darauf ab, dass gerade auch aus Zusammenstößen von Fahrzeuginsassen erhebliche Gefahren herrührten. Die Gurtpflicht sei im darauffolgenden Jahrzehnt auf sämtliche Fahrzeuginsassen ausgedehnt und bußgeldbewehrt worden. Das weite Verständnis des Schutzzwecks der Gurtpflicht diene der Verkehrssicherheit und dem Schutz der individuellen Rechte aller Verkehrsteilnehmer; es stehe im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie anderer Obergerichte zur Bußgeldbewehrung der Gurtpflicht. Ebenso füge es sich in das haftungsrechtliche Gesamtsystem ein.

Der Senat hat jedoch offengelassen, ob bei dem vorliegenden Unfall die Knie der Beklagten in die Rückenlehne des Beifahrersitzes eingedrungen waren und dies zu den Wirbelsäulenverletzungen der Geschädigten geführt hatte. Angesichts des strafwürdigen, grob verkehrswidrigen und rücksichtslosen Verhaltens des Versicherungsnehmers der Klägerin trete eine mögliche Mithaftung der nicht angeschnallten Beklagten zurück. Hierzu hat der Senat auf die von der bisherigen Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe zur Höhe der Mithaftung des Verletzten bei Nichteinhaltung der Gurtpflicht im Falle eigener Verletzungen zurückgegriffen und ist von einem vergleichbaren Ausnahmefall ausgegangen. Das durch den Verstoß gegen die Gurtpflicht begründete Mitverschulden trat im entschiedenen Fall somit hinter dem ganz überwiegenden Verschulden des Unfallverursachers zurück.