Ein GmbH-Gesellschafter, der in der Gesellschaft angestellt und nicht zum Geschäftsführer bestellt ist, ist regelmäßig abhängig beschäftigt. Eine Verhinderungsmacht alleine – so hat das Bundesozialgericht kürzlich entschieden – ist nicht ausreichend, um eine abhängige Beschäftigung und damit die Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung auszuschließen.

In der Entscheidung vom 13. Dezember 2022 Aktz.: B 12 KR 16/20 R hat das Bundessozialgericht (BSG) klargestellt, dass eine Verhinderungsmacht alleine – nämlich das Recht, jede nicht genehme Weisung der Gesellschafterversammlung zu verhindern – nicht ausreichend sei, um eine abhängige Beschäftigung und damit die Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung auszuschließen.

Im konkreten Fall ging es um einen Gesellschafter, der an einer GmbH gemeinsam mit seinem Bruder zu je 50 % beteiligt ist. Während sein Bruder alleiniger Geschäftsführer ist, ist der Kläger als Betriebsleiter mit weitgehender Handlungsvollmacht, aber ohne Prokura in einem Teilbereich des Unternehmens (Einkauf und Logistik) tätig. Er erhält für seine Tätigkeit von der Gesellschaft ein festes monatliches Gehalt und eine jährliche Gewinnbeteiligung. Zur Sicherung der Liquidität der Gesellschaft hatte er ihr ein Darlehen in Höhe von rund EUR 175.000,00 gewährt und selbstschuldnerische Bürgschaften zur Sicherung weiterer Kredite übernommen. Im Gesellschaftsvertrag ist geregelt, dass der Abschluss von Verträgen mit Gesellschaftern zur Mitarbeit in der Gesellschaft, deren Änderung oder Beendigung sowie die Regelung sämtlicher aus diesen Verträgen resultierender Folgen ausschließlich der Beschlussfassung durch die Gesellschafterversammlung obliegen, wobei der betreffende Gesellschafter in jedem Fall stimmberechtigt bleibt.

Im Statusfeststellungsverfahren hatte die beklagte DRV Bund (DRV) festgestellt, dass der Kläger als mitarbeitender Gesellschafter in der Renten- und Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig sei. Das Sozialgericht hat den entsprechenden Bescheid aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger nicht abhängig beschäftigt und daher nicht versicherungspflichtig sei. Das Landessozialgericht hat auf die Berufung der DRV hin das Urteil des SG aufgehoben und die Versicherungspflicht des Klägers in der Renten- und Arbeitslosenversicherung bestätigt.

Gegen diese Entscheidung hatte der Kläger Revision zum BSG eingelegt und die Auffassung vertreten, dass er bereits aufgrund seiner Sperrparität in der Gesellschafterversammlung selbstständig sei, weil laut den Regelungen im Gesellschaftsvertrag die Dienstaufsicht und die Weisungsrechte gegenüber mitarbeitenden Gesellschaftern der Gesellschafterversammlung zugewiesen sind, in der er unbeschränkt stimmberechtigt sei. Damit könne er jegliche Weisung an sich verhindern. Diese Verhinderungsmacht sei ausreichend für eine selbstständige, sozialversicherungsfreie Tätigkeit, einer Gestaltungsrechtsmacht bedürfe es dafür nicht.

Dieser Argumentation ist das BSG allerdings nicht gefolgt. Es ist stattdessen zu dem Ergebnis gekommen, dass die Verhinderungsmacht allein eine abhängige Beschäftigung nicht ausschließe. Selbst wenn aufgrund seiner Beteiligung an der Gesellschaft und aufgrund seines Stimmrechts in der Gesellschafterversammlung die Gesellschaft gegen seinen Willen keinen Beschluss zu seiner vertraglichen Mitarbeit treffen könne, führe dies nicht automatisch zur Annahme einer selbstständigen Tätigkeit. Es komme für die statusrechtliche Einordnung eines Gesellschafter-Geschäftsführers nicht nur auf dessen Weisungsfreiheit im eigenen Tätigkeitsbereich an, sondern auch darauf, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer in der Lage ist, auf die Ausrichtung der Geschäftstätigkeit des Unternehmens umfassend Einfluss zu nehmen und damit das unternehmerische Geschick der GmbH insgesamt wie ein Unternehmensinhaber zu lenken. Dafür sei eine sich auf die gesamte Unternehmenstätigkeit erstreckende Gestaltungsrechtsmacht erforderlich.

Eine solche Gestaltungsrechtsmacht hat der Kläger als mitarbeitender Gesellschafter nach Ansicht des BSG im entschiedenen Fall allerdings nicht. Demnach sei er nicht im „eigenen Unternehmen“ tätig, sondern in funktionsgerecht dienender Weise in die GmbH als seine Arbeitgeberin eingegliedert. Dies gelte auch für mitarbeitende, nicht zum Geschäftsführer bestellte Gesellschafter. Trotz seiner hälftigen Beteiligung am Stammkapital und seines Stimmrechts in der Gesellschafterversammlung, mit dem er ihm nicht genehme Beschlüsse verhindern kann, könne er keinen maßgeblichen Einfluss auf die durch seinen Bruder ausgeübte Geschäftsführertätigkeit ausüben. Bei einer gegensätzlichen Stimmabgabe führt sein Stimmrecht lediglich zur Stimmengleichheit und damit zu einer Blockade, allerdings nicht zu der für die Herbeiführung eines Beschlusses grundsätzlich erforderlichen Mehrheit in der Gesellschafterversammlung. Damit könne der Kläger in letzter Konsequenz weder Weisungen an den Geschäftsführer herbeiführen noch die Abberufung des Geschäftsführers jederzeit durchsetzen. Dass aufgrund familiärer Beziehungen vom Kläger und seinem Bruder faktisch eine gleichberechtigte Geschäftsführung des Unternehmens gelebt werde, sei für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung unerheblich.

Dass der Kläger umfangreiche Bürgschaften zugunsten der Gesellschaft übernommen und ihr ein Darlehen gewährt habe, führe zu keinem anderen Ergebnis. Das mit der Bürgschaft verbundene unternehmerische Risiko ist nach Ansicht des BSG nur dann ein Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstünden. Das sei nicht der Fall, und auch die Darlehensgewährung räume dem Kläger keine umfassende Einflussmöglichkeit auf die Gesellschaft ein.