Der Handelsvertreter schuldet auch ohne besondere Vereinbarung als Teil der umfassenden vertraglichen Treuepflicht die uneingeschränkte Wahrnehmung der Interessen des Unternehmers. Gemäß dieser Treuepflicht hat der Handelsvertreter alles zu unterlassen, was den Interessen des Unternehmers schaden oder abträglich sein könnte, also auch alles, was ihn in einen Interessenwiderstreit oder eine Konkurrenzsituation zu dem Unternehmer bringen und dessen Interessen dadurch beeinträchtigen kann. Dieses Konkurrenzverbot greift somit automatisch für die gesamte Zeit eines bestehenden Handelsvertreterverhältnisses ein. Es ist sozusagen vertragstypisch oder auch vertragsimmanent.

Bei der Beurteilung, ob eine Konkurrenzsituation gegeben ist, legt die Rechtsprechung seit je her einen strengen Maßstab an. Schon in Zweifelsfällen, sofern die Möglichkeit besteht, dass die anderweitige Vertriebstätigkeit die Interessen des Unternehmers beeinträchtigen könnte, hat der Handelsvertreter diesen hiervon zu unterrichten und in Zweifelsfällen dessen Entscheidung herbeizuführen. Als Ausschlag gebend hierfür wird weniger die Möglichkeit einer tatsächlichen Schädigung als vielmehr die Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Unternehmer und Handelsvertreter angesehen.

Bestimmung der Konkurrenzlage

Unterschiedliche Meinungen gibt es immer wieder dazu, ob der eine oder andere vom Handelsvertreter gleichzeitig für unterschiedliche Hersteller vertriebene Artikel nun wirklich eine pflichtwidrige Konkurrenzsituation darstellt. Entscheidend ist damit zunächst, wie diese Konkurrenzsituation zu bestimmen und welche Betrachtungsweise hierfür heranzuziehen ist. Räumlich umfasst das Wettbewerbsverbot zunächst einmal das gesamte Absatzgebiet des Unternehmers, wobei dieser Gesichtspunkt weniger streitträchtig ist. In sachlicher Hinsicht besteht die Konkurrenzlage zwischen den vom Handelsvertreter nach dem Vertrag zu vertreibenden Produkten des Unternehmers und denjenigen seiner Konkurrenten, welche aus Sicht der als Kunden in Frage kommenden Abnehmer die Aufgaben und Zwecke der Produkte des Unternehmers ebenfalls erfüllen können.

Sicht des Kunden entscheidend

Hier zeigt sich nun, wie einzelfallbezogen und problematisch die Bestimmung einer Konkurrenzsituation sein kann, zumal die Sichtweise des Kunden maßgeblich sein soll. Identität, Gleichartigkeit oder auch nur Vergleichbarkeit der Waren nach Preis oder Qualität sowie Überschneiden der Produktpalette sind nämlich nicht die erschöpfend aufgezählten Varianten einer Konkurrenztätigkeit. Entscheidend ist vielmehr, ob aus Sicht der Kunden eine Konkurrenz besteht, weil diese in diesem Fall bereit sein könnten, anstelle der Waren des Unternehmers auf diejenigen des Konkurrenten zurückzugreifen. Damit scheidet eine Konkurrenzlage in sachlicher Hinsicht jedenfalls hinsichtlich solcher Waren aus, bei denen die Gefahr einer Verdrängung des Geschäftsherrn des Handelsvertreters vom Markt nicht besteht, weil sie von der Funktion her ganz unterschiedlichen Anforderungen genügen müssen oder sich an verschiedenartige, nicht austauschbare Kundenkreise wenden.

Eine Konkurrenzlage hinsichtlich einzelner Sortimentsteile kann jedoch bereits genügen. Sie kann sogar vorliegen, wenn sich das Angebot der Unternehmer zwar nicht hinsichtlich der eigentlichen Haupterzeugnisse, aber in Bezug auf Zubehörteile überschneidet. Denn es besteht in einem solchen Fall aus Sicht der Rechtsprechung die Gefahr, dass der Kunde nach und nach seinen gesamten Bedarf bei einem Drittunternehmen deckt, von dem er bereits die vom Auftraggeber des Handelsvertreters nicht angebotenen Produkte bezieht. Letzten Endes könnte dies dazu führen, dass der Kunde ganz zu dem Drittunternehmen abwandert.

Folgen des Konkurrenzverstoßes

Ein Verstoß des Handelsvertreters gegen das Konkurrenzverbot berechtigt den vertretenen Unternehmer in der Regel ohne vorherige Abmahnung außerordentlich zu kündigen. Begründet wird dies damit, dass bei einer nicht genehmigten Übernahme einer Konkurrenzvertretung ein schwerer Verstoß im Vertrauensbereich vorliegt, der durch eine Abmahnung nicht wieder gut gemacht werden kann und es dem vertretenen Unternehmen außerdem unzumutbar macht, den Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist bis zur Vertragsbeendigung abzuwarten. Schwerwiegende Begleiterscheinung einer solchen berechtigten fristlosen Kündigung durch den Unternehmer ist der Wegfall des Ausgleichsanspruches für den Handelsvertreter. Außerdem kann der Unternehmer gegen den Handelsvertreter einen Schadensersatzanspruch geltend machen in Höhe des ihm durch die Konkurrenztätigkeit entgangenen Gewinns. Zur Vorbereitung einer solchen Schadensersatzklage kann der Unternehmer zudem vom Handelsvertreter Auskunft über den Umfang der Konkurrenztätigkeit verlangen.

Nachträgliche Konkurrenzsituation – Produktionserweiterung

Eine Konkurrenzsituation kann sich auch erst nachträglich ergeben, indem eines der vertretenen Unternehmen seine Produktion erweitert oder sich an einem Konkurrenzunternehmen beteiligt und dadurch eine Interessenkollision des Handelsvertreters ausgelöst wird. Der Handelsvertreter muss in diesem Fall die Konkurrenzsituation dadurch auflösen, dass er das Vertragsverhältnis mit dem Unternehmer kündigt, der die Konkurrenzsituation verursacht hat. Nur diesem Unternehmer gegenüber kann der Handelsvertreter aus begründetem Anlass ausgleichserhaltend kündigen. Beendet der Handelsvertreter nicht die Konkurrenzsituation, riskiert er, dass einer der jetzt im Wettbewerb stehenden Unternehmen das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich kündigt.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Bestimmung einer Konkurrenzsituation zwischen vom Handelsvertreter gleichzeitig für verschiedene Unternehmer vertriebenen Produkten immer eine Entscheidung an den konkreten Umständen des Einzelfalles erforderlich macht. Der Handelsvertreter ist aber insoweit in der Pflicht, so dass er selbst schon bei geringen Zweifeln, den Unternehmer von einer möglichen Konkurrenzsituation zu unterrichten hat.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Das vertragsimmanente Konkurrenzverbot des Handelsvertreters leitet sich aus der umfassenden Interessenwahrnehmungspflicht für den Unternehmer ab.
  • Für die Bestimmung einer Konkurrenzsituation ist die Sicht des Kunden entscheidend.
  • Ob ein Verstoß gegen das Konkurrenzverbot vorliegt, bedarf immer einer Entscheidung an den konkreten Umständen des Einzelfalls.

 

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