Bei einem Unfall zwischen einem links abbiegenden Fahrzeug mit dem Gegenverkehr wird vermutet, dass sich der Abbieger verkehrswidrig verhalten hat. Das gilt sogar dann, wenn der Entgegenkommende zu schnell gefahren ist – so sah es kürzlich das AG Hanau.

Der grundsätzliche Anschein der Unfallversuchung durch das abbiegende Fahrzeug könne nur durch konkrete und im Streitfall zu beweisende Tatsachen widerlegt werden. So entschied das Amtsgericht Hanau mit Urteil vom 19. Juni 2024 unter dem Aktenzeichen 39 C 81/22.

Dem Verfahren lag der folgende Sachverhalt zugrunde: Das Fahrzeug der Klägerin fuhr bei einer erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h in einen Kreuzungsbereich ein und beabsichtigte, weiter geradeaus zu fahren. Der Beklagte befuhr die Straße in der entgegengesetzten Richtung und beabsichtigte, in der Kreuzung nach links abzubiegen. Während des Abbiegevorgangs kam es zur Kollision der Fahrzeuge. Die Klägerin verlangte den vollständigen Ersatz ihrer Fahrzeugschäden, da ihr Wagen langsam in die Kreuzung eingefahren sei, den Unfall aber nicht habe verhindern können. Der Beklagte meinte, das Fahrzeug der Klägerin sei zu schnell gefahren, so dass ihn keine Haftung treffe.

Das AG Hanau hat entschieden, dass der Unfall allein durch das abbiegende Fahrzeug verursacht wurde. Hierfür spreche bereits die Vermutung eines Verstoßes gegen die Vorfahrtsgewährungspflicht beim Abbiegen gem. § 9 Abs. 3 S. 1 StVO. Denn der Unfall sei während des Abbiegevorgangs passiert. Dies könne der Beklagte nur durch den Beweis solcher Umstände widerlegen, aus denen sich ein unfallursächliches Fehlverhalten des klägerischen Fahrzeugs ergebe. Die Beweisaufnahme habe derartiges jedoch nicht bestätigt. Zwar zeige das Sachverständigengutachten, dass das klägerische Fahrzeug angesichts der örtlichen Gegebenheiten mit ca. 30 bis 40 km/h zu schnell in die Kreuzung einfuhr, hieraus sei jedoch nicht zu schließen, dass eben diese Geschwindigkeitsüberschreitung auch die Kollision mit dem abbiegenden Fahrzeug verursacht habe. Dennoch hafte die Klägerin jedenfalls zu 20% aufgrund der allgemeinen Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs.