Anstatt endlich ein Versprechen einzulösen, wird von der Bundesregierung dreist weiter abkassiert

Dreißig Jahre nach dem Mauerfall läuft der sogenannte Solidarpakt II zur finanziellen Unterstützung der neuen Bundesländer zum Ende dieses Jahres aus. Eigentlich ein guter Zeitpunkt, um den Solidaritätszuschlag zur Einkommenssteuer abzuschaffen und Bürger und Unternehmer zu entlasten. Was stattdessen am 21. August dieses Jahres vom Bundeskabinett beschlossen wurde, nannte ein Kommentator zu Recht eine Demonstration der Unzulänglichkeit.

Man könnte auch sagen, der Unverschämtheit, denn obwohl der Solidarpakt II am Ende dieses Jahres ausläuft, wird erst einmal ein Jahr lang weiter abkassiert. Erst ab dem Jahr 2021 soll dann, so der von der Bundesregierung beschlossene Gesetzentwurf von Bundesfinanzminister Olaf Scholz, für etwa 90 Prozent der Steuerpflichtigen der Solidaritätszuschlag entfallen. Für ungefähr weitere 6,5 Prozent der Steuerpflichtigen entfällt der Zuschlag teilweise. Die zirka 3,5 Prozent Steuerzahler mit den höchsten Einkommen sollen dagegen unvermindert weiterzahlen. Ende offen.

 

Solidaritätszuschlag trotz entfallener Grundlage?

Damit, so das Kalkül der großen Koalition, lässt sich ohne große Verluste an Wählerstimmen auch nach 2020 mehr als die Hälfte des bisherigen Aufkommens des Solidaritätszuschlages weiter einkassieren, obwohl die Grundlage dafür eigentlich entfallen ist. Die Landtagswahlen in diesem Herbst waren nämlich der Grund, warum die „großzügige“ Entlastung der meisten Einkommenssteuerzahler noch im Sommer verkündet werden sollte. Dazu musste der Gesetzentwurf von Bundesfinanzminister Scholz auf die Schnelle vom Kabinett beschlossen werden, obwohl Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier zuvor noch einen eigenen, besseren Entwurf zur vollständigen Abschaffung des Solidaritätszuschlages, wenn auch nur in Etappen, vorgelegt hatte.

Die Rechnung der Regierungsparteien wird sich am Ende aber wahrscheinlich als Fehlkalkulation erweisen. Denn die Klage von Gegnern des Solidaritätszuschlages erfolgte noch am Tage des Kabinettsbeschlusses. Vermutlich geht das Verfahren durch alle Instanzen bis vor das Bundesverfassungsgericht. Neben Bundeswirtschaftsminister Altmaier zweifeln auch weitere Unionspolitiker, Experten und Juristen daran, dass die vom Kabinett auf den Weg gebrachte Regelung verfassungsgemäß ist. Aber anstatt mit einer vollständigen Abschaffung des „Solis“ einen kraftvollen Wachstumsimpuls zu geben, demonstriert die Bundesregierung lieber die Unzulänglichkeit ihres Handelns. Egal, denn bis das offenbar wird, sind die Landtagswahlen vorbei.

Lesen Sie hierzu auch:
CDH fordert sachgerechte Lösungen
Solidaritätszuschlag, Wiedereinführung einer Vermögenssteuer, gesetzliche Schuldenbremse, CO2-Steuer und Mietendeckel in Berlin – es ist haarsträubend, was in diesem Spätsommer in den Zeitungen zu lesen war.
Weiterlesen: CDH für sachgerechte Lösungen