Das Verbot, an unübersichtlichen Stellen zu überholen, dient nicht nur dem Schutz des Gegenverkehrs, sondern auch dem des überholten Verkehrsteilnehmers. Dies hat das Oberlandesgericht Saarbrücken kürzlich entschieden.
Das Verbot an unübersichtlichen Stellen zu Überholen gemäß § 5 Abs. 2 StVO gilt auch dem Schutz des Überholten. Das haben die Richter des 4. Senates des Oberlandesgerichtes Saarbrücken mit Urteil vom 15. Dezember 2022 unter dem Aktenzeichen 4 U 136/21 klar gestellt. Denn auch dieser könne durch ein regelwidriges Überholen gefährdet werden. Denn der Überholende werde, wenn auf kurzer Entfernung ein Verkehrsteilnehmer entgegenkommt, häufig zur Vermeidung eines Zusammenstoßes sein Fahrzeug vorzeitig nach rechts ziehen. Auch werde der Überholende gerade wegen der Unübersichtlichkeit der Stelle im Allgemeinen von vornherein bestrebt sein, sich möglichst weit rechts zu halten, und deshalb den seitlichen Abstand zu dem zu Überholenden möglichst gering bemessen.
Dem entschiedenen Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im August 2019 kam es auf einer Straße im Saarland zu einem Sturz mehrerer Radfahrer. Die Radfahrer fuhren auf Rennrädern in einer Gruppe. Ein von hinten kommender Golf mit einem Anhänger setzte zum Überholen der Gruppe an. Da die Straße an dieser Stelle eine Kurve beschrieb, erkannte der Fahrer des Golfs nicht, dass ihm ein anderes Fahrzeug entgegenkam. Der Golf-Fahrer musste daher den Überholvorgang abbrechen und zog nach rechts in Richtung der Radfahrer. Ein paar der Radfahrer kamen beim Versuch dem Golf auszuweichen zu Fall. Im anschließenden Schadenersatzprozess eines der Radfahrer gegen den Golf-Fahrer ging es unter anderem darum, ob dem Golf-Fahrer ein Verstoß wegen des Überholens an einer unübersichtlichen Stelle angelastet werden könne. Das Oberlandesgericht Saarbrücken entschied, dass das Verbot, an unübersichtlichen Stellen zu überholen, nicht nur dem Schutz des Gegenverkehrs diene, sondern auch des zu überholenden Verkehrsteilnehmers. Ein Verstoß gegen § 5 Abs. 2 StVO wurde somit bejaht.