Zum Anspruch auf unentgeltliche Überlassung einer Musterkollektion

Viele Handelsvertreter haben diese Situation bereits erlebt: Oft soll der Handelsvertreter vertraglich verpflichtet sein, nach Abschluss der Verkaufssaison (meist mit einem Nachlass) die Kollektion käuflich zu erwerben. Derartige Vorschriften finden sich meist in der Mode-Branche und werden dort sogar teilweise als branchenüblich angesehen. Dass die vertretenen Unternehmen hierbei gegen geltendes Recht verstoßen, ist einigen gar nicht so bewusst.

Der Grundsatz aus § 86 a Absatz 1 HGB

Zunächst ist festzustellen, dass gemäß § 86 a Absatz 1 HGB das vertretene Unternehmen dem Handelsvertreter die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen, wie Muster, Zeichnungen, Preislisten, Werbedrucksachen, Geschäftsbedingungen, zur Verfügung zu stellen hat. Dies hat unentgeltlich zu erfolgen. Nach § 86 a Absatz 3 HGB sind abweichende Vereinbarungen vom Absatz 1 unwirksam.

Musterware muss dem Handelsvertreter grundsätzlich unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden

Aus zahlreichen obergerichtlichen Entscheidungen geht hervor, dass Vereinbarungen, wonach der Handelsvertreter dem Unternehmer Musterware nach Verkaufsende abkaufen muss in vorformulierten Verträgen (AGB), aber auch als Individualabrede gegen den zwingenden § 86 a Absatz 1 HGB verstoßen und somit  unwirksam sind. Die Rechtsprechung hindert den Handelsvertreter jedoch nicht, die Musterware zu kaufen, wenn er dies möchte.

Wichtig zu beachten ist, dass es in einigen anderen EU-Staaten sehr wohl zulässig sein kann, den Handelsvertreter zum Kauf der Musterware zu verpflichten, so z.B. in Dänemark Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande, und Spanien. Unterliegt das Handelsvertreterverhältnis also einem anderen Recht als dem deutschen, ist anhand des anwendbaren Rechts die Rechtslage zu überprüfen.

Kaution für Musterkollektion kann zulässig sein

Etwas anderes kann für eine Kautionsabrede gelten, wonach der Handelsvertreter für die Musterware eine Kaution zahlen muss. Das Landgericht Berlin etwa hat mit Urteil vom 07.12.2007 (Az. 94 O 61/07) die Wirksamkeit einer Vereinbarung bestätigt, wonach der Unternehmer berechtigt ist, bei Übergabe einer Musterkollektion von den dem Handelsvertreter zustehenden Provisionen eine Kaution einzubehalten, wenn der Unternehmer die Kaution dem Handelsvertreter zurückzuerstatten hat, wenn dieser die Musterteile in einem verkaufsfähigen Zustand zurückgibt.

Sobald vertretene Unternehmen auch nur irgendeinen Geldfluss für die Übergabe der Musterware verlangen, ob in Form eines Kaufpreises, einer Miete oder einer Kaution, sollten Handelsvertreter skeptisch werden und ihren CDH-Landesverband zur Beratung ziehen.