Zu den gemäß § 86a Abs. 1 HGB kostenlos vom Unternehmer zur Verfügung zu stellenden Unterlagen gehören nur die Hilfsmittel, die der Handelsvertreter spezifisch aus der Sphäre des Unternehmers benötigt, um seine Tätigkeit überhaupt ausüben zu können.
Werden Arbeitsplatzsysteme (Hard- und Software) zur Verfügung gestellt, spricht die Unverzichtbarkeit für den Abschluss von Verträgen und die Anbindung an das Informationsverarbeitungssystem des vertretenen Unternehmers sowie die eingeschränkte Nutzbarkeit für eigene Zwecke, nämlich ausschließlich zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen, für erforderliche kostenfrei zur Verfügung zu stellende Unterlagen.
(Leitsätze der Redaktion)
OLG Köln, Urteil vom 2. Februar 2024 Aktz. 19 U 73/23
Die Parteien stritten um die Frage, ob der Handelsvertreter die Kosten für ein ihm vom Hersteller zur Verfügung gestelltes Arbeitsplatzsystem tragen muss.
Das Gericht entschied, dass die zwischen den Parteien in der Standortvereinbarung geregelte Kostenbeteiligung in Höhe von 1.000,00 EUR netto, die u.a. für die Bereitstellung von Arbeitsplatzsystemen inklusive Kasse sowie die Bereitstellung einer leitungstechnischen Anbindung inklusive Prüfanschlüssen erfolgte, von § 86a Abs. 1 HGB abweicht und deshalb gemäß § 86a Abs. 3 HGB unwirksam ist.
Der Begriff der Unterlagen im Sinne von § 86a Abs. 1 HGB ist weit auszulegen. Dazu gehört alles, was dem Handelsvertreter zur Ausübung seiner Vermittlungs- und Abschlusstätigkeit dient und aus der Sphäre des Unternehmers stammt. Hiervon erfasst werden auch sonstige Sachen, die der Handelsvertreter speziell zur Anpreisung bei der Kundschaft benötigt, z.B. sonstiges Werbematerial, Musterstücke und Musterkollektion. Auch EDV-Softwareprogramme können im konkreten Einzelfall zu den von der Norm erfassten Unterlagen gehören, wenn die Aufgaben des Handelsvertreters die Verwendung nötig machen und die Überlassung branchenüblich ist. Ist ein EDV-System für die Übermittlung der Preisdaten an den Handelsvertreter erforderlich, muss dieses System dem Handelsvertreter kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Gleiches gilt für aus Software und Hardware bestehende Systeme sowie für spezielle Software für den Zugang zu den für die Vermittlung erforderlichen aktuellen Unternehmensdaten.
Der Begriff der Erforderlichkeit ist restriktiv auszulegen. Erforderlich ist, was objektiv zur Tätigkeit benötigt wird. Die Unterlage muss für die spezifische Anpreisung der Ware unerlässlich oder unverzichtbar sein. Dies ergibt sich bereits aus einer Betrachtung der in § 86a Abs. 1 HGB genannten Beispiele – hierbei handelt es sich um Unterlagen, die einen engen Bezug zum vertriebenen Produkt besitzen und ohne die keine erfolgreiche Vermittlung möglich ist.
Nach Ansicht der Richter konnte dahinstehen, ob es sich bei der durch den Unternehmer zur Verfügung gestellten Hard- und Software um frei am Markt erhältliche Standardprodukte gehandelt habe, die keine speziellen Funktionalitäten aufgewiesen hätten. Maßgebend sei vielmehr, dass die Einrichtung der Arbeitsplatzsysteme unstreitig dergestalt erfolgte, dass der Handelsvertreter allein hierüber an die verschiedenen Informationsverarbeitungssysteme des Unternehmers (insbes. Warenwirtschaft, Kasse, Kundendaten) angebunden gewesen sei, dem Handelsvertreter Änderungen der Arbeitsplatzsysteme nicht gestattet gewesen sein und der Handelsvertreter diese allein zur Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten, nicht aber zu anderen geschäftlichen oder privaten Zwecken habe nutzen dürfen. Durch den Ausschluss von Veränderungen und die vertragliche Verpflichtung, die Arbeitsplatzsysteme nicht für andere geschäftliche Zwecke zu verwenden, stellten die Arbeitsplatzsysteme kein vollwertiges Hilfsmittel zur Besorgung geschäftlicher Angelegenheiten für den Handelsvertreter dar und erfüllten mithin nicht die Funktion einer allgemeinen Büroausstattung.
Im Hinblick auf die Unverzichtbarkeit der Arbeitsplatzsysteme für den Abschluss von Verträgen und die Anbindung an das Informationsverarbeitungssystem der Unternehmers sowie auf die eingeschränkte Nutzbarkeit der Arbeitsplatzsysteme handelte es sich bei diesen um erforderliche Unterlagen im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB.
Da ein einheitliches, auf die Bedürfnisse eines für den Unternehmer tätigen Handelsvertreters abgestimmtes Hard- und Softwarepaket zur Verfügung gestellt worden sei, ohne das er seiner Tätigkeit für den Unternehmer nicht hätte nachgehen können, handele es sich nach der Verkehrsauffassung um ein einheitliches Produkt, für das der Handelsvertreter ein Nutzungsentgelt nicht – auch nicht teilweise – schulde.
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