Vermittelt ein Versicherungsvertreter dynamische Lebensversicherungen, bei denen sich die Versicherungssumme in regelmäßigen Zeitabständen erhöht, wenn der Versicherungsnehmer nicht widerspricht, gehen die Erhöhungen mitursächlich auf die Vermittlungstätigkeit bei Abschluss des Versicherungsvertrags zurück und sind im Zweifel provisionspflichtig und dies auch über das Ende des Versicherungsvertretervertrages hinaus.
Urteil des BGH vom 20. Dezember 2018 – Aktz. VII ZR 69/18
Die Richter des 7. Senates des BGH stellten zu Beginn ihrer Entscheidung fest, dass das Berufungsgericht dem klagenden Versicherungsvertreter gemäß § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB aufgrund des mit dem beklagten Versicherers geschlossenen Consultantvertrags zurecht Provisionsansprüche für nach Beendigung des Vertrags eintretende Erhöhungen der Versicherungssumme für von ihm vermittelte Lebensversicherungen zugesprochen habe, bei denen sich die Versicherungssumme nach dem Inhalt des Versicherungsvertrags in regelmäßigen Zeitabständen erhöhe, wenn der Versicherungsnehmer nicht widerspreche und die erhöhte Prämie zahle (sogenannte dynamische Lebensversicherungen). Der Versicherungsvertreter könne für diese nach Beendigung des Consultantvertrags bis zum jeweiligen Ablauf des Versicherungsvertrags fällig werdenden Provisionen gemäß § 92 Abs. 2, § 87c Abs. 1 HGB jeweils Abrechnungen von dem beklagten Versicherer verlangen.
Nach § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB gelten für das Vertragsverhältnis zwischen Versicherungsvertreter und Versicherer die Vorschriften für das Vertragsverhältnis zwischen dem Handelsvertreter und dem Unternehmer, wobei in Abweichung von § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB ein Versicherungsvertreter Anspruch auf Provision nur für die Geschäfte habe die auf seine Tätigkeit zurückzuführen seien. Vermittele der Versicherungsvertreter dynamische Lebensversicherungen, bei denen sich die Versicherungssumme in regelmäßigen Zeitabständen erhöhe, wenn der Versicherungsnehmer nicht widerspreche, gingen die Erhöhungen auf die Vermittlungstätigkeit bei Abschluss des Versicherungsvertrags zurück und seien gemäß § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB im Zweifel provisionspflichtig . Der Eigenart dieses Vertragstyps entspreche es, die vereinbarungsgemäß eintretenden Erhöhungen bereits mit Abschluss des Versicherungsvertrags als vereinbart anzusehen, dem Versicherungsnehmer aber hinsichtlich der Erhöhungen ein Widerspruchsrecht zuzugestehen. Mit dem Abschluss des Versicherungsvertrags entstehe für die Beklagteeinseitig eine Bindung für die gesamte Vertragslaufzeit einschließlich sämtlicher
Erhöhungen, die auflösend dadurch bedingt sei, dass der Versicherungsnehmer von dem ihm eingeräumten Widerspruchsrecht Gebrauch mache.
Entgegen der Auffassung der Revision sei die Erhöhung der Versicherungssumme in diesen Fällen nicht von einer werbenden Tätigkeit eines Dritten abhängig, die nach § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 HGB, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB einen Provisionsanspruch des Versicherungsvertreters ausschließe. Denn die Erhöhung werde aufgrund des geschlossenen Lebensversicherungsvertrags bereits dann wirksam, wenn der Versicherungsnehmer nicht widerspreche und die erhöhte Versicherungsprämie zahle.
Mit der Annahme einer Provisionspflicht für vom Versicherungsvertreter vermittelte dynamische Lebensversicherungsverträge über den Zeitpunkt der Beendigung des Consultantvertrags hinaus werde entgegen der Auffassung der Revision das systematische Verhältnis von Provisionsansprüchen einerseits und dem
Ausgleichsanspruch gemäß § 89b Abs. 5 HGB andererseits nicht unterlaufen. Soweit dem Versicherungsvertreter aufgrund der von ihm während der Vertragszeit vermittelten Versicherungsverträge nach Beendigung des Vertrags noch Ansprüche auf Zahlung von Abschlussprovisionen gemäß § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB zuständen, trete kein Provisionsverlust ein, der etwa für den Ausgleichsanspruch nach § 89b Abs. 5 HGB zu berücksichtigen wäre. Die Beschränkungen des § 89b Abs. 5 HGB fänden lediglich Anwendung, wenn dem Versicherungsvertreter ein Ausgleichsanspruch zustehe. Es bestehe daher kein Grund, die Beschränkungen des § 89b Abs. 5 HGB auf vom Versicherungsvertreter nach § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 HGB, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB zu
beanspruchende Abschlussprovisionen, die nach Beendigung des Vertrags fällig werden, zu erstrecken.
Die Voraussetzungen der § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB lägen in Bezug auf die vom Kläger vermittelten dynamischen Lebensversicherungsverträge vor.
Entgegen der Auffassung der Revision treffe den klagenden Versicherungsvertreter auchnicht die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass es nach Beendigung des
Consultantvertrags tatsächlich zu Erhöhungen der Versicherungssumme in den jeweiligen Verträgen gekommen sei. Da der Eintritt solcher Erhöhungen auflösend dadurch bedingt sei, dass der Versicherungsnehmer von seinem Widerspruchsrecht Gebrauch mache, trage der Versicherer für diesen für ihn günstigen Umstand nach allgemeinen beweisrechtlichen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast.