Aus einer laufenden Geschäftsbeziehung, die weder einem Handelsvertreter- noch einem Vertragshändlervertrag gleichkommt, können auch gewisse Schutzpflichten begründet werden. Denn ein Dauerschuldverhältnis in Gestalt einer laufenden Geschäftsverbindung kann als „gesetzliches Schuldverhältnis ohne primäre Leistungspflicht“, nämlich als „geschäftlicher Kontakt“ im Sinn von § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB, aufgefasst werden, welches besondere Schutzpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB begründet. Eine Pflichtverletzung eines solchen Dauerschuldverhältnisses kann wegen einer vorzeitigen, nicht ausreichend auf die Interessen des Geschäftspartners Bedacht nehmenden Beendigung der Verkäufe in Betracht kommen.

OLG Hamm, Urteil vom 14. Mai 2020 – 18 U 93/19 

Die Richter des 18. Senates des OLG Hamm stellten zunächst fest, dass die Klägerin weder als Handelsvertreterin, Vertragshändlerin noch als Kommissionsagentin für die Beklagte tätig gewesen ist. Die von der Klägerin erklärte Aufrechnung gegenüber den Kaufpreisforderungen der Beklagten mit Ansprüchen auf Ausgleich entsprechend § 89 b HGB schieden somit aus. Fraglich war somit in diesem Verfahren, ob der Klägerin wegen der Beendigung der Geschäftsbeziehung zur Beklagten noch Schadensersatzansprüche zustehen konnten.

§ 89 a Abs. 2 S. 2 HGB schied als Grundlage für einen Schadensersatzanspruch aus, weil die Klägerin nicht als Handelsvertreterin agierte.

Aber auch die entsprechende Anwendung des § 89 a Abs. 2 S. 2 HGB wäre allenfalls dann in Erwägung zu ziehen, wenn ein Vertragshändlervertrag vorgelegen hätte, der eine handelsvertreterähnliche Eingliederung der Klägerin in die Absatzorganisation der Beklagten beinhaltet hätte. Davon war, wie das Gericht zuvor dargelegt hatte, nicht auszugehen.

Der Klägerin stehen allerdings auch keine Schadensersatzansprüche wegen der  Beendigung der Lieferbeziehung (§§ 241 Abs. 2, 282, 282, 280 Abs. 1 BGB) zu.

Zwischen den Parteien ist zwar ein Dauerschuldverhältnis in Gestalt einer laufenden Geschäftsverbindung etabliert worden.

Ein solches Rechtsverhältnis kann als „gesetzliches Schuldverhältnis ohne primäre Leistungspflicht“, nämlich als „geschäftlicher Kontakt“ im Sinn von § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB aufgefasst werden, das besondere Schutzpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB begründet.

Doch lässt sich eine Verletzung dieses Dauerschuldverhältnisses seitens der Beklagten durch die Einstellung der Verkäufe an die Klägerin ab Februar 2018 nicht feststellen.

Ohnehin steht der Klägerin kein Anspruch auf die Vornahme weiterer Verkäufe an sie über den Monat Januar 2018 hinaus zu, weil sich aus der laufenden Geschäftsverbindung als solcher keine primären Leistungspflichten ableiten lassen Schadensersatzansprüche wegen nicht erbrachter Leistungen (hier: nicht getätigter Verkäufe an die Klägerin) im Sinn von § 281 Abs. 1 BGB scheiden deshalb ebenfalls aus.

In Betracht kommt allenfalls eine Pflichtverletzung gem. §§ 311 Abs. 2 Nr. 3, 241 Abs. 2, 282, 280 Abs. 1 BGB wegen einer vorzeitigen, nicht ausreichend auf die Interessen der Klägerin Bedacht nehmenden Beendigung der Verkäufe.

Eine derartige Pflichtverletzung lässt sich nicht feststellen, weil die Beklagte der Klägerin bereits Anfang Januar 2017 mitteilte, die Verkäufe an sie einstellen und an Kunden direkt verkaufen zu wollen, und alsdann gleichwohl noch bis Ende Januar 2018 die bisherige Praxis der Verkäufe an die Klägerin fortsetzte.

Denn der aus dem Dauerschuldverhältnisses der laufenden Geschäftsverbindung Verpflichtete handelt jedenfalls dann nicht pflichtwidrig, wenn er die Belieferung bzw. die Verkäufe erst einstellt, nachdem er seinem Geschäftspartner die Beendigung klar avisiert hat und seither die für eine Kündigung im eigentlichen Sinn einzuhaltenden Fristen abgelaufen sind. Beides ist hier der Fall:

Die Beklagte hat der Klägerin im Gespräch vom 5.1.2017 klar zu verstehen gegeben, die Verkäufe an sie einstellen zu wollen. Das folgt bereits aus der eigenen Darstellung des Geschäftsführers der Klägerin, aber auch aus der Bekundung des Zeugen T. Die Beklagte ist von dieser Ankündigung auch nicht abgerückt oder hat sie in Frage gestellt. Die Fortsetzung der Belieferung über das Jahr 2017 hinweg konnte von der Klägerin auch nicht etwa dahin verstanden werden, die Geschäftsverbindung solle dauerhaft wiederbelebt werden.

Es bedarf in diesem Zusammenhang keiner Klärung, ob die laufende Geschäftsverbindung zwischen den Parteien zu ihrer Beendigung überhaupt einer Kündigung bedurfte. Sollte dies der Fall sein, wäre die Erklärung der Beklagten bzw. ihrer beiden Mitarbeiter als solche anzusehen. Ihre Wirksamkeit scheiterte auch nicht an fehlender Bevollmächtigung, weil die Klägerin diese zu keinem Zeitpunkt in Frage stellte und jedenfalls ein Tatbestand der Duldungsvollmacht bestand.

Die Beklagte musste die Geschäftsverbindung zur Klägerin vom Zeitpunkt der Erklärung der Beendigung (bzw. der Kündigung) an jedenfalls nicht über mehr als sechs Monate hinaus aufrechterhalten.

Auch die Klägerin reklamiert unter Berücksichtigung ihrer Interessen daran, einen Ersatzlieferanten zu finden, keine längere Frist.

Selbst wenn auf die Klägerin § 89 Abs. 1 HGB entsprechend anzuwenden sein sollte, etwa aufgrund ihrer Stellung als Vertragshändlerin, käme eine längere Frist als von 6 Monaten (zum Monatsende) nicht in Betracht. Eine solche ließe sich auch nicht aus dem Rechtsgedanken des § 627 Abs. 2 S. 1 BGB („Der Verpflichtete darf nur in der Art kündigen, dass sich der Dienstberechtigte die Dienste anderweit beschaffen kann, es sei denn, dass ein wichtiger Grund für die unzeitige Kündigung vorliegt.“) ableiten, zumal die Klägerin selbst eine Dauer von 6 Monaten für die (erfolgreiche) Suche nach einem Ersatzlieferanten veranschlagt.

Diese Frist hat die Beklagte gewahrt, indem sie die Verkäufe an die Klägerin erst mit Ablauf des Monats Januar 2018 eingestellt hat. Eine Pflichtverletzung auch unter diesem Aspekt war damit abzulehnen.

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Das Urteil ist für eine Veröffentlichung in der Rechtsprechungssammlung HVR-Online vorgesehen, die unter http://www.cdh-wdgmbh.de bestellt werden kann.

 

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