Eine Beschränkung der Kündigungsfreiheit des Handelsvertreters im Sinne des § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB kann nicht nur unmittelbar erfolgen, sondern auch bei mittelbaren Erschwernissen in Form von finanziellen oder sonstigen Nachteilen vorliegen.
Unter welchen Voraussetzungen die an die Vertragsbeendigung vertraglich geknüpften Nachteile von solchem Gewicht sind, dass eine unzulässige, mittelbare Beschränkung des Kündigungsrechts des Handelsvertreters vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls.
Erweist sich eine vereinbarte Vorschusszahlung auf zu erwartende Provisionseinnahmen als unzulässige Kündigungsbeschränkung nach § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB, kann der Unternehmer die gewährten Vorauszahlungen nicht nach Bereicherungsrecht gemäß § 812 Abs. 1 BGB zurückfordern.
BGH, Urteil vom 19. Januar 2023 – VII ZR 787/21
Zu Unrecht sei das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die an die Beendigung des Handelsvertretervertrags anknüpfende Vereinbarung der Parteien keine wegen Verstoßes gegen § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB i.V.m. § 134 BGB unwirksame mittelbare Kündigungserschwernis darstellen könne – so die Richter des 7. Senates des BGH.
Eine Beschränkung der Kündigungsfreiheit des Handelsvertreters könne nicht nur unmittelbar erfolgen, sondern auch bei mittelbaren Erschwernissen in Form von finanziellen oder sonstigen Nachteilen vorliegen. Nach § 89a Abs. 1 Satz 1 HGB sei ein Handelsvertretervertrag von jedem Teil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündbar. Dieses Recht dürfe gemäß § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB weder ausgeschlossen noch beschränkt werden.
Eine Beschränkung der Kündigungsfreiheit könne dabei nicht nur unmittelbar erfolgen, sondern auch bei mittelbaren Erschwernissen in Form von finanziellen oder sonstigen Nachteilen vorliegen. Eine solche Erschwernis sei anzunehmen, wenn an die Kündigung des Handelsvertretervertrags wesentliche, die Vertragsbeendigung erschwerende Nachteile geknüpft werden, wie etwa die Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe. Gleiches gelte für Vertragsklauseln, die eine sofortige Rückzahlung langfristiger Vorschusszahlungen bei einer Kündigung des Handelsvertreters vorsehen. Unter welchen Voraussetzungen die an die Vertragsbeendigung vertraglich geknüpften Nachteile von solchem Gewicht seien, dass eine unzulässige, mittelbare Beschränkung des Kündigungsrechts des Handelsvertreters vorliegt, sei eine Frage des Einzelfalls. Die Antwort auf diese Frage hänge insbesondere von der Höhe der gegebenenfalls zurückzuerstattenden Zahlungen und dem Zeitraum, für den sie zu erstatten seien, ab. Eine solche mittelbare Kündigungserschwernis könne auch vorliegen, wenn aufgrund der Gestaltung des Vertrags die Vertragsbeendigung für den Handelsvertreter mit erheblichen Nachteilen verknüpft sei, die seine Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Frage, ob er das Vertragsverhältnis auflöst, einschränken können.
Solche mittelbaren Auswirkungen der Vertragsgestaltung seien stets am Maßstab des § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB zu messen – betonten die Richter des 7. Senates des BGH. Diese könnten nicht – so wie es das Berufungsgericht getan habe – unter Hinweis darauf, es handele sich um einen bloßen „Reflex“, von vornherein von dieser Prüfung ausgenommen werden.
Die Vertragsfreiheit erlaube es den Parteien zwar grundsätzlich, ihre Vertragsbeziehungen so zu gestalten, dass sie ihre wirtschaftlichen Ziele erreichen können, es sei denn, die getroffene Vereinbarung verstößt gegen ein gesetzliches Verbot. Nach der Rechtsprechung des BGH ergebe sich aus der Gesetzesumgehung dann ein Nichtigkeitsgrund nach § 134 BGB, wenn durch die gewählte rechtliche Gestaltung der Zweck einer Rechtsnorm vereitelt werde. Dieser Rechtsprechung liege die Erwägung zugrunde, dass ein vom Gesetz missbilligter Erfolg nicht durch die Umgehung des Gesetzes erreicht werden dürfe.
Ein solcher Fall lag nach Auffassung der Richter des 7. Senates hier vor. Die Gewährung eines variablen Darlehens an den beklagten Handelsvertreter, welches monatlich mit Provisionsforderungen verrechnet werden sollte, sei, sofern dieses nicht zur Deckung eines besonderen Kreditbedarfs des Handelsvertreters diene, der Gewährung eines monatlichen Provisionsvorschusses mit entsprechender Verrechnungsabrede gleichzustellen. Die in der obergerichtlichen Rechtsprechung zur Gewährung eines der Höhe nach begrenzten Darlehens an den Handelsvertreter zur Finanzierung eines bestimmten Bedarfs ergangenen Entscheidungen, wonach sich die Unwirksamkeit der Abrede nur auf die vereinbarte Fälligkeit, nicht jedoch auf den auf Rückzahlung der Darlehensvaluta gerichteten Anspruch beziehe, seien im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Denn mit der als Darlehensvertrag bezeichneten Vereinbarung der Parteien werde kein besonderer Kreditbedarf des Handelsvertreters gedeckt. Die „Darlehensgewährung“ diene im vorliegenden Fall vielmehr wie auch die Vereinbarung einer monatlichen Vorschusszahlung der dauerhaften Vorfinanzierung der vom Handelsvertreter zu erwirtschaftenden Provisionen. Durch die monatliche Darlehensaufstockung in bestimmter Höhe, die mit Provisionsforderungen des Handelsvertreters verrechnet und zum Ende des Vertragsverhältnisses sofort zur Zahlung fällig wird, werde der Handelsvertreter vergleichbar wie bei einer entsprechenden Abrede über eine Vorschusszahlung auf die Provision in bestimmter Höhe, die bei Vertragsende zur Rückzahlung fällig werde, in seiner Entscheidungsfreiheit, das Vertragsverhältnis zum Unternehmer aufzulösen, beschränkt.
Erweise sich eine vereinbarte Vorschusszahlung auf zu erwartende Provisionseinnahmen aus diesen Gründen als unzulässige Kündigungsbeschränkung nach § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB, könne der Unternehmer die gewährten Vorauszahlungen auch nicht nach Bereicherungsrecht gemäß § 812 Abs. 1 BGB zurückfordern. Die an den Beklagten geleisteten Zahlungen seien nicht ohne Rechtsgrund erfolgt.
Die durch § 134 BGB angeordnete Nichtigkeit des gegen ein gesetzliches Verbot verstoßenden Rechtsgeschäfts betreffe im vorliegenden Fall nur die Vereinbarung, dass bei Beendigung des Handelsvertretervertrags ein Unterverdienst vom Handelsvertreter auszugleichen sei. Der Vertrag im Übrigen bleibe dagegen wirksam und bilde den Rechtsgrund für die erfolgten monatlichen Zahlungen, die dem beklagten Handelsvertreter – wie eine monatliche Festvergütung oder Garantieprovision – verblieben. Die Eigenschaft dieser Zahlungen als Provisionsvorschüsse bleibe unberührt mit der Folge, dass der Handelsvertreter keine Provision nachfordern könne, soweit ihm die Vorschüsse verblieben. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 139 BGB. Danach sei, wenn ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig sei, das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen sei, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden wäre. Im Falle eines Verstoßes gegen § 134 BGB erstrecke sich zwar in der Regel die Nichtigkeit auf das Rechtsgeschäft im Ganzen. Jedoch könne sich aus dem Zweck der Verbotsnorm ergeben, dass nur die verbotene Regelung nichtig sei.
So liege der Fall hier. Eine mögliche Rückforderbarkeit aus § 812 Abs. 1 BGB – so wie es das Berufungsgericht zuvor angenommen habe, liefe der Wertung von § 134 BGB i.V.m. § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB zuwider. Denn dieses Verbot diene gerade dem Schutz des Handelsvertreters.
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