Die Ermächtigung zur Ersatzvornahme (§ 887 I ZPO) wandelt die Pflicht, die vertretbare Handlung vorzunehmen, nicht in eine Pflicht, allein noch die Ersatzvornahme zu dulden. Beide Pflichten bestehen nun vielmehr nebeneinander. Erfüllt der Schuldner durch eigenes Handeln, so endet die Duldungspflicht.
Wer einem Handelsvertreter zur Ermittlung des Provisionsanspruches einen Buchauszug schuldet und in der Zwangsvollstreckung Erfüllung einwenden will, hat darzulegen, dass es über das bereits Mitgeteilte hinaus keine weiteren Geschäfte gegeben habe, aus denen ein Provisionsanspruch folgen könnte. Der Unmöglichkeit, eine negative Tatsache darzulegen, entspricht die Obliegenheit des Gläubigers, auf die Behauptung, weiteres Mitteilenswertes gebe es nicht, diese negative Tatsache substantiiert dadurch zu bestreiten, dass er für das Positive sprechende Tatsachen darlegt.
Der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges (§ 87 c II HGB) und der Anspruch auf Einsicht in die vollständigen Geschäftsbücher (§ 87 c IV HGB) sind voneinander verschiedene materiell-rechtliche Ansprüche, die gesondert voneinander geltend zu machen sind und nicht im Vollstreckungsverfahren miteinander verbunden oder vermischt werden können.
Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 24. Februar 2020 – Aktz. 7 W 38/19
Der Gläubiger betreibt auf Grund zweier vollstreckbarer Ausfertigungen die Zwangsvollstreckung. Die Schuldnerinnen sind verurteilt worden, dem Gläubiger „Buchauszüge vorzulegen, aus denen sich ergibt, … welche Verträge zwischen der Beklagten und den Kunden“ in näher bezeichneten Postleitzahlgebieten und Zeiträumen „aufgrund der Tätigkeit des Klägers“ zustande kommen und abgewickelt worden seien.
Nach einer Ermächtigung zur Ersatzvornahme durch einen Buchprüfer und einer Verurteilung zur Zahlung eines Kostenvorschusses hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss die Schuldnerinnen verpflichtet, einen weiteren Vorschussbetrag zu zahlen. Mit ihren Beschwerden wenden die Schuldnerinnen ein, sie hätten dem Gläubiger bereits alles mitgeteilt, was er zur Berechnung seiner angeblichen Ansprüche benötige.
Der Gläubiger hat kein Recht auf Nachforderung weiteren Vorschusses (§ 887 II ZPO). Die Vollstreckung der Verpflichtung zur Erteilung eines Buchauszuges ist beendet. Entstandene Kosten kann der Gläubiger, soweit sie notwendig waren, im Kostenfestsetzungsverfahren geltend machen (§ 788 II ZPO).
Dem Einwand der Schuldnerinnen, sie hätten alle im Titel bezeichneten Angaben aus ihren Büchern mitgeteilt, kann der Gläubiger nicht entgegenhalten, Erfüllung könne dadurch nicht bewirkt worden sein, weil die Schuldnerinnen dem Buchprüfer nicht den Zugang zu den Geschäftsbüchern gewährt hätten. Die Ermächtigung zur Ersatzvornahme (§ 887 I ZPO) wandelt die Pflicht, die vertretbare Handlung vorzunehmen, nicht in eine Pflicht, allein noch die Ersatzvornahme zu dulden. Beide Pflichten bestehen nun vielmehr nebeneinander. Erfüllt der Schuldner durch eigenes Handeln, so endet die Duldungspflicht.
Der Erfüllungseinwand wird nicht durch die Entgegnung des Gläubigers erschüttert, die mitgeteilten Angaben seien lückenhaft; sie enthielten insbesondere keine Objektnummern und beruhten auf einer Vorauswahl der Schuldnerinnen, die solche Datensätze nicht übermittelt hätten, die nach ihrer Ansicht nicht zu Provisionsansprüchen den Gläubigers führten.
Der Inhalt der Mitteilungsverpflichtung ist dem Titel zu entnehmen, also der Entscheidungsformel des zu vollstreckenden Urteils. Zu ihrem Verständnis sind, wenn dies erforderlich sein sollte, die Entscheidungsgründe heranzuziehen. Die Zuweisung der Handlungsvollstreckung in die Zuständigkeit nicht des Vollstreckungs-, sondern des Prozessgerichts (§ 887 I ebenso wie §§ 888 I 1, 890 I 1 ZPO) zeigt, dass die Kenntnis der Rechtsgrundlage und der sie erfüllenden tatsächlichen Umstände für das Verständnis des Inhalts und Umfangs der titulierten Verpflichtung von Bedeutung sein darf. Die Sphären des Erkenntnisverfahrens einerseits und des Zwangsvollstreckungsverfahrens andererseits sind nicht so streng voneinander getrennt wie bei der Zahlungs- oder der Herausgabevollstreckung. Aber es gilt auch hier, dass der Titel – also die erforderlichenfalls anhand der Gründe ausgelegte Entscheidungsformel – so, wie er erlassen ist, die Vollstreckung erlaubt und begrenzt. Der Titel wird durch das mit der Vollstreckung befasste Prozessgericht nicht geprüft und folglich nicht erweitert, eingeschränkt oder sonstwie korrigiert. Für die Vollstreckung und damit gerade auch für die Frage, ob eine nach Urteilserlass vorgenommene Handlung Erfüllung bewirkt hat, ist der Titel maßgeblich, nicht die materiellrechtliche Rechtslage.
Besteht Uneinigkeit, ob eine geschuldete Handlung vorgenommen sei oder ob das Vorgenommene ausreichend und vollständig sei, um die titulierte Verpflichtung zu erfüllen, so trägt im Vollstreckungsverfahren der Schuldner – dem materiellen Recht entsprechend (§ 362 I BGB) – die Darlegungs- und gegebenenfalls die Beweislast. Wer einem Handelsvertreter zur Ermittlung des Provisionsanspruches einen Buchauszug schuldet, hat darzulegen, dass es über das bereits Mitgeteilte hinaus keine weiteren Geschäfte gegeben habe, aus denen ein Provisionsanspruch folgen könnte. Der Unmöglichkeit, eine negative Tatsache darzulegen, entspricht die Obliegenheit des Gläubigers, auf die Behauptung, weiteres Mitteilenswertes gebe es nicht, diese negative Tatsache substantiiert dadurch zu bestreiten, dass er für das Positive sprechende Tatsachen darlegt. Das gegenseitig Darzulegende hat dabei den Bezug zur Reichweite und mithin auch zu den Grenzen der titulierten Verpflichtung zu wahren.
Es reicht danach nicht aus, wenn der Gläubiger auf die Behauptung der Schuldnerinnen, sie hätten nun alle vom Titel erfassten Geschäftsvorgänge mitgeteilt, entgegnet, die mitgeteilte Auflistung enthalte Lücken; dies sei anhand der Auftragsnummern zu erkennen, die nicht ohne Unterbrechungen aufeinanderfolgten, und die Schuldnerinnen hätten solche Geschäfte ausgelassen, die nach ihrer Ansicht nicht zu einem Provisionsanspruch des Gläubigers führen könnten. Gemessen am Inhalt des Titels bleiben diese Behauptungen des Gläubigers ohne ausreichende Substanz. Als Grundlage von Entscheidungen im Vollstreckungsverfahren ist zur Kenntnis zu nehmen, dass die titulierte Verpflichtung sich nicht darauf richtet, alle in den bezeichneten Postleitzahlgebieten und Zeiträumen zustande gekommenen Geschäfte in den Buchauszug aufzunehmen und mit den aufgelisteten Angaben zu versehen. Aufgenommen werden sollen nur solche Geschäfte, die „aufgrund der Tätigkeit des Klägers“ zustande gekommen sind. Die Aufnahme eines Unterscheidungsmerkmals in den Titel schneidet den schlichten erfüllungsbestreitenden Einwand ab, der erteilte Buchauszug enthalte nicht alle Geschäfte, sondern es seien erkennbare Lücken vorhanden. Indem der Titel ein Unterscheidungsmerkmal enthält, lässt er die Möglichkeit offen, dass es Geschäfte geben könnte, die dieses Merkmal nicht erfüllen und die somit nicht von der titulierten Verpflichtung erfasst werden. Der Titel spricht dafür, dass sich eine lückenhafte Liste von Geschäften als Erfüllung der Verpflichtung eignen kann. Der Gläubiger hätte, um eine Fortsetzung der Vollstreckung zu erreichen, in Einzelheiten wenigstens für einige beispielhafte Fälle darlegen müssen, dass es weitere Geschäfte geben müsste, die ebenfalls auf seiner Tätigkeit beruhen.
Es reicht nicht aus, darauf zu verweisen, der bislang vorgelegte Buchauszug eigne sich wegen der schwer nachzuprüfenden Lücken weniger gut als ein lückenloser Buchauszug, der alle Geschäfte enthält, um die Provisionsansprüche des Gläubigers vollständig und richtig zu ermitteln und zu berechnen. Das mag zutreffen, weist aber – im Vollstreckungsverfahren unzulässig – auf die materielle Rechtslage hin, statt auf den erlassenen Titel. Es ist dem Gläubiger zuzugestehen, dass sich sein Anspruch nach § 87 c II HGB darauf gerichtet haben könnte, alle Geschäfte in den Buchauszug aufzunehmen, aus denen sich möglicherweise ein Provisionsanspruch ergeben könnte, um ihm so eine Prüfung seiner Ansprüche zu ermöglichen und eine Zahlungsklage in erfolgversprechender Höhe erheben zu können. Dieser Funktion wird der Titel nicht gerecht, weil er gerade ein Unterscheidungsmerkmal für die Differenzierung zwischen aufzunehmenden und nicht aufzunehmenden Geschäften enthält – „aufgrund der Tätigkeit des Klägers“ –, das diese Prüfung in das Stadium der Erteilung der Auskunft vorwegnimmt, statt die Prüfung in das Stadium nach erteilter Auskunft anhand der dadurch gewonnenen Erkenntnisse hinauszuschieben. Es kann hier offenbleiben, ob die in dieser Weise unzureichende Titulierung auf einem in gleicher Weise unzureichenden Antrag des Gläubigers im Erkenntnisverfahren beruht. Etwaige Fehler, die im Erkenntnisverfahren unterlaufen sind, können nicht durch Entscheidungen bereinigt werden, die der Zwangsvollstreckung dienen.
Aus dem gleichen Grunde kann der Gläubiger den zur Erfüllung ihm mitgeteilten Buchauszug nicht mit dem Argument als unzureichend beanstanden, eine Zusammenstellung weiterer, bislang nicht mitgeteilter Angaben oder Geschäfte eigne sich besser zur Überprüfung auf Vollständigkeit und Richtigkeit. Es gehört zur Obliegenheit des Klägers, die Auskunft im Erkenntnisverfahren so zu verlangen, dass die Merkmale, die die in den Buchauszug aufzunehmenden Geschäfte kennzeichnen, eine Überprüfung des pflichtgemäß Mitgeteilten auf Geschäfte zulässt, die zu Provisionsansprüchen führen. Die Erstellung des Buchauszuges kann der Gläubiger weitgehend im Wege der Ersatzvornahme selbst übernehmen, wenn der Schuldner unzureichend oder gar nicht mitwirkt (§ 887 I ZPO). Wendet aber der Schuldner die Ersatzvornahme durch selbst vorgenommene Erfüllung ab, so kann der Gläubiger sie nicht dennoch verlangen, weil sie ihm bessere Kontrollmöglichkeiten oder Einsichtsmöglichkeiten in die Bücher des Schuldners verschafft hätte. Der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges (§ 87 c II HGB) und der Anspruch auf Einsicht in die vollständigen Geschäftsbücher (§ 87 c IV HGB) sind voneinander verschiedene materiellrechtliche Ansprüche, die gesondert voneinander geltend zu machen und nicht im Vollstreckungsverfahren miteinander verbunden oder vermischt werden können.
Der Einwand des Gläubigers, ohne die sogenannten „Objektnummern“, die nicht zu den im Titel genannten Angaben gehören, sei „eine eindeutige Zuordnung zu den Tätigkeiten des Gläubigers nicht möglich“ bleibt zum einen ohne Substanz, weil der Gläubiger nicht erläutert, weshalb die Angaben, die zu übermitteln die Schuldnerinnen verpflichtet sind zur Zuordnung nicht ausreichen. Zum anderen bleibt unverständlich, weshalb der Gläubiger seinen Antrag im Erkenntnisverfahren nicht auf die Mitteilung auch der Objektnummern erstreckt hat, wenn diese so unerlässlich sind, um seinen Provisionsanspruch zu ermitteln. Ein etwaiges Versäumnis kann nicht im Vollstreckungsverfahren bereinigt werden.