Stammkunden, mit denen eine Geschäftsverbindung i. S. v. § 89 b Absatz 1 Nr. 1 HGB besteht, sind Mehrfachkunden, das heißt diejenigen Kunden, die in einem überschaubaren Zeitraum, in dem üblicherweise mit Nachbestellungen zu rechnen ist, mehr als nur einmal ein Geschäft mit dem Unternehmer abgeschlossen haben oder voraussichtlich abschließen werden. Das bedeutet in der Regel genügt ein Folgegeschäft im maßgeblichen Zeitraum. Neukunden, die erst so kurz vor Ende des Handelsvertretervertrags gewonnen wurden, können als potentielle Stammkunden zu berücksichtigen sein, auch wenn es innerhalb der Restlaufzeit des Handelsvertretervertrages nicht mehr zu einem Folgegeschäft gekommen ist. Denn nach Auffassung der Richter des KG Berlin mit Beschluss vom 14.9.2021 unter dem Aktenzeichen 2 U 84/18 müsse berücksichtigt werden, dass bei einem Teil der neu gewonnenen Erstkunden spätere Nachbestellungen zu erwarten sind. Bei der Ermittlung des Ausgleichsanspruchs könnten potentiellen Stammkunden durch verschiedene Berechnungsansätze Rechnung getragen werden, etwa durch Fortschreibungen von erfahrungsgemäßen Quoten für „potentielle Mehrfachkunden“. Für das Tatbestandsmerkmal der „Werbung“ eines neuen Kunden gemäß § 89b Absatz 1 Nr. 1 HGB sei es im Übrigen nicht erforderlich, dass der erste Geschäftsabschluss mit dem neuen Kunden allein auf die Tätigkeit des Handelsvertreters zurückzuführen sei. Es reiche vielmehr aus, dass die Tätigkeit des Handelsvertreters mitursächlich gewesen sei. Hierbei seien an die Mitverursachung eines Geschäfts durch den Handelsvertreter grundsätzlich geringe Anforderungen zu stellen.  Grundsätzlich genüge es, dass der Handelsvertreter für den Unternehmer Verträge vermittelt oder abschließt, aus denen sich eine Geschäftsverbindung zum Kunden entwickelt.

 Kammergericht Berlin, Hinweisbeschluss vom 14.9.2021 – 2 U 84/18

Anders als vom Landgericht angenommen, ist vorliegend von einem neuen Stammkunden schon dann auszugehen, wenn es im Vertragszeitraum zu mindestens zwei Anzeigenschaltungen kam. „Stammkunden“, mit denen eine Geschäftsverbindung i. S. v. § HGB § 89 b Abs. HGB § 89B Absatz 1 Nr. HGB § 89B Absatz 1 Nummer 1 HGB besteht, sind Mehrfachkunden, das heißt diejenigen Kunden, die in einem überschaubaren Zeitraum, in dem üblicherweise mit Nachbestellungen zu rechnen ist, mehr als nur einmal ein Geschäft mit dem Unternehmer abgeschlossen haben oder voraussichtlich abschließen werden, wobei vorliegend der Vertragszeitraum (3 Jahre) einen entsprechend maßgeblichen (überschaubaren) Zeitraum darstellt.

Neukunden, die erst so kurz vor Ende des Handelsvertretervertrags gewonnen wurden, können als (potentielle) Stammkunden zu berücksichtigen sein, auch wenn es (innerhalb der Restlaufzeit des Handelsvertretervertrages) nicht (mehr) zu einem Folgegeschäft gekommen ist. Denn es muss berücksichtigt werden, dass bei einem Teil der neu gewonnenen Erstkunden spätere Nachbestellungen zu erwarten waren. Bei der Ermittlung des Ausgleichsanspruchs kann potentiellen Stammkunden durch verschiedene Berechnungsansätze Rechnung getragen werden. Vorliegend können die Umsätze im Basisjahr mit den o. g. potentiellen Stammkunden durch Gewichtung mit dem insofern von der Klägerin mitgeteilten (und nicht angegriffenen und auch plausiblen) Multiplikator von 2/3 berücksichtigt werden.

Für das Tatbestandsmerkmal der „Werbung“ eines neuen Kunden gemäß § 89b Absatz 1 Nummer 1 HGB a. F. ist es nicht erforderlich, dass der erste Geschäftsabschluss mit dem neuen Kunden allein auf die Tätigkeit des Handelsvertreters zurückgeht. Es reicht vielmehr aus, dass die Tätigkeit des Handelsvertreters mitursächlich ist. Hierbei sind an die Mitverursachung eines Geschäfts durch den Handelsvertreter grundsätzlich geringe Anforderungen zu stellen. Grundsätzlich genügt, dass der Handelsvertreter für den Unternehmer Verträge vermittelt oder abschließt, aus denen sich eine Geschäftsverbindung zum Kunden entwickelt. Unerheblich ist, dass die Bereitschaft zum Vertragsabschluss durch sonstige Maßnahmen bereits gefördert worden war. Eine ausreichende werbende Tätigkeit des Handelsvertreters als Tankstellenpächter kann bspw. schon allein durch Offenhalten der Tankstelle erfolgen, denn der konkrete Kaufvertrag über die an seiner Tankstelle getankte Menge Kraftstoff kommt ohne ihn nicht zustande. An der Mitursächlichkeit fehlt es nur bei einem bereits fest zur Bestellung entschlossenen Kunden, bei dem der Handelsvertreter bzw. Vertragshändler lediglich als Empfangsvertreter oder Bote tätig wird.

Entsprechend den o. g. (geringen) Anforderungen an eine Mitursächlichkeit war die Klägerin schon dann für die Anzeigenschaltung mitursächlich, wenn sie sich für die Auftragsentgegennahme bereit hielt und insofern nicht lediglich hinsichtlich ganz konkreter schon feststehender Anzeigenaufträge nur als Botin oder Empfangsvertreterin handelte. Unerheblich ist nach dem o. g., dass Anzeigenkunden einen generellen oder abstrakten Entschluss zur Anzeigenschaltung schon ohne Kontakt zur Klägerin gefasst haben mochten (da es auf die konkrete Anzeigenbeauftragung ankam) oder dass die Kunden in besonderer Weise durch den Beklagten aufgrund dessen Standing bzw. die Bindung zum Beklagten (Klubmitgliedschaft) bereits eng war (d. h. es für die Klägerin relativ „leicht“ war). Ein geringer Grad an Mitursächlichkeit kann im Rahmen der Billigkeitsprüfung berücksichtigt werden, entsprechend ja die sog. Sogwirkung.

Bezüglich der Altkunden kann die maßgebliche Erweiterung der Geschäftsbeziehung grundsätzlich anhand der Steigerung des Umsatzes bestimmt werden. Hierbei kann grundsätzlich auf den Vergleich von Jahresumsätzen zurückgegriffen werden. Dabei kann im Regelfall von einer wesentlichen Erweiterung ausgegangen werden, wenn der Handelsvertreter die Jahresumsätze um 50 % und mehr steigert.

Hinreichend tragfähig für eine Schätzgrundlage nach § HGB § 89 b HGB für den danach anzustellenden Vergleich ist es vorliegend, die Umsätze im Jahr vor Beauftragung der Klägerin zu den Umsätzen im letzten Vertragsjahr zu vergleichen. Dabei bedarf es einer Gewichtung der Umsätze. Für den Vergleich der Umsatzsteigerungen ist das Mitgliederverzeichnis nur mit 1/3 anzusetzen (aufgrund der dreijährigen Erscheinungsweise). Ferner kann zugunsten des Beklagten eine Gewichtung der Umsätze des Clubmagazins im letzten Vertragsjahrs mit dem Faktor 2/3 unterstellt werden (aufgrund der Atypik, dass im letzten Vertragsjahr für 3 Clubmagazine Anzeigen vermittelt wurden, s. o.).

Die Klägerin ist für die wesentlichen Erweiterungen auch ursächlich geworden. Ausreichend ist auch hier Mitursächlichkeit. Eine Mitursächlichkeit der Intensivierung der Kundenbeziehung scheidet bspw. nicht schon aus, weil der Unternehmer selbst gute Ware liefert und auch selbst für seine Ware wirbt, d. h. selbst (Mit-) Ursachen für eine Intensivierung setzt (vorliegend z. B.: Attraktivität aufgrund des Standings des Beklagten, Kundenbindung aufgrund Klubmitgliedschaft). Die Kausalität ist bei fehlender Erklärung des Unternehmers zu sonstigen stichhaltigen Gründen der Umsatzsteigerung zu vermuten.

Im Übrigen ist von einer Mitursächlichkeit für die jeweils konkreten Anzeigenaufträge schon aufgrund der von der Klägerin mitinitiierten erheblichen Anpassungen des Preisverzeichnisses auszugehen. Zudem ist substantiiert dargetan, dass die Klägerin im Hinblick auf die konkreten Anzeigenaufträge – die jeweils über sie abgewickelt wurden – weitere mitursächliche Schritte unternommen hat (Erinnerung an Anzeigenschaltungen, Absprachen zu den konkreten Anzeigen u. a. zu Layout, Standort und Preis, persönliche Gespräche mit den Kunden usw., was alles zur Mitursächlichkeit der konkreten Anzeigenschaltungen beiträgt, unabhängig davon, ob die grundsätzliche Entscheidung zur Anzeigenschaltung bereits getroffen war).

 

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