Nach § 86a Abs. 1 HGB hat der Unternehmer dem Handelsvertreter die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen, wie beispielsweise Muster, Preislisten oder Werbedrucksachen kostenlos zur Verfügung zu stellen. Eine gegenteilige Vergütungsvereinbarung, mit der eine Vergütung für die Zurverfügungstellung derartiger Unterlagen vereinbart wird, ist daher gemäß § 86a Abs. 3 HGB unwirksam. Von dem Begriff der Unterlagen wird dabei ungeachtet der auf körperliche Gegenstände hindeutenden Aufzählung zwar grundsätzlich alles erfasst, was dem Handelsvertreter zur Ausübung seiner Vermittlungs- oder Abschlusstätigkeit dient und aus der Sphäre des Unternehmers stammt. Die Vorschrift ist jedoch eng auszulegen, was die Erforderlichkeit der Unterlagen betrifft. Denn der Handelsvertreter trägt nach § 87d HGB die in seinem regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstehenden Aufwendungen grundsätzlich selbst.

Hiervon ausgehend sind nur solche Unterlagen aus der Sphäre des Unternehmers für die Tätigkeit des Handelsvertreters im Sinne des § 86a Abs. 1 HBG „erforderlich“, auf die er zur Vermittlung oder zum Abschluss der den Gegenstand des Handelsvertretervertrages bildenden Verträge angewiesen ist. Denn die von ihm zu entfaltenden Bemühungen zur Herbeiführung der Vertragsschlüsse obliegen ihm als selbständigem Unternehmer. Zu den gemäß § 86a Abs. 1 HGB kostenlos vom Unternehmer zur Verfügung zu stellenden Unterlagen gehören deshalb nur die Hilfsmittel, die der Handelsvertreter spezifisch aus der Sphäre des Unternehmers benötigt, um seine Tätigkeit überhaupt ausüben zu können. Es muss sich um Unterlagen handeln, die einen sehr engen Bezug zu dem vertriebenen Produkt haben und ohne die eine erfolgreiche Vermittlung schlechthin nicht möglich ist. Solche Unterlagen sind beispielsweise aktuelle Preisdaten der Agenturware, und dies auch dann, wenn sie unter Verwendung eines von dem Unternehmer gestellten Kassensystems per Datenfernübertragung zur Verfügung gestellt werden. Nach Auffassung der Richter des KG Berlin ist die Zurverfügungstellung bargeldloser Zahlungsmöglichkeiten durch den vertretenen Unternehmer nach diesem Maßstab jedoch nicht als erforderliche Unterlage im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB anzusehen (Beschluss vom 17.3.2022 Akz. 2 U 4/20). Es handele sich nicht um ein Hilfsmittel, das der Handelsvertreter spezifisch aus der Sphäre des Unternehmers benötige, um seine Tätigkeit überhaupt ausüben zu können und ohne das eine erfolgreiche Vermittlung schlechthin nicht möglich wäre. Denn er könne – wie jeder andere Betreiber von Ladengeschäften auch – bargeldlose Zahlungsmöglichkeiten für seine Kunden selbst beschaffen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der Handelsvertreter sich die betreffende Zahlungsdienstleistung auch selbst am Markt beschaffen könne.

 

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 17. März 2022 – 2 U 4/20

Der Kläger war auf Basis eines „Tankstellen-Verwalter-Vertrages“ ab dem 16.12.2003 Handelsvertreter der Beklagten, einer Mineralölfirma, für den Vertrieb von Kraftstoffen. Die vom Kläger angegriffenen vertraglichen Regelungen sind nicht nach § 86a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 HGB im Hinblick darauf unwirksam, dass dem Handelsvertreter erforderliche Unterlagen stets kostenlos zur Verfügung zu stellen sind.

  • 86a Abs. 1 HGB ist eng auszulegen, was die Erforderlichkeit der Unterlagen betrifft. Denn der Handelsvertreter trägt nach § 87d HGB – soweit nicht ein Aufwendungsersatz durch den Unternehmer handelsüblich ist – die in seinem regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstehenden Aufwendungen grundsätzlich selbst; hierzu gehören die eigene Büroausstattung und alle sonstigen Kosten des eigenen Betriebs und der Repräsentation gegenüber den Kunden.

Unproblematisch wirksam ist die Vereinbarung von Vergütung für andere Funktionen desselben Kassensystems, wie etwa die Erstellung von Tagesabrechnungen, Umsatzsteuererklärungen, betriebswirtschaftlichen Auswertungen etc.

Die Zurverfügungstellung bargeldloser Zahlungsmöglichkeiten durch die Beklagte ist nicht als erforderliche Unterlage im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB anzusehen. Es handelt sich schon nicht um ein Hilfsmittel, das der Handelsvertreter spezifisch aus der Sphäre des Unternehmers benötigt, um seine Tätigkeit überhaupt ausüben zu können und ohne das eine erfolgreiche Vermittlung schlechthin nicht möglich wäre.

Dabei geht die Erwägung an der Sache vorbei, bei Tankvorgängen an oder nahe der Autobahn seien bargeldlose Zahlungsmöglichkeiten an sich unerlässlich. Maßgeblich ist vielmehr das Verhältnis zwischen Handelsvertreter und Unternehmer. Der Handelsvertreter mag zur ertragreichen Handelsvertretung bargeldlose Zahlungsdienstleistungen benötigen, was der Senat unterstellen kann. Er benötigt diese aber nicht aus der Sphäre des Unternehmers. Denn er könnte – wie jeder andere Betreiber von Ladengeschäften auch – bargeldlose Zahlungsmöglichkeiten für seine Kunden selbst beschaffen, die entsprechenden Zahlungen selbst vereinnahmen und gegenüber der Beklagten auf der Grundlage der ungekürzten Provision für Bargeschäfte abrechnen. Dann müsste er allerdings gegenüber den Unternehmen der Kreditwirtschaft auch die entsprechenden Gebühren selbst tragen. Dass die Parteien vorliegend eine andere Gestaltung gewählt und vereinbart haben, bei der der Handelsvertreter ein von der Beklagten als Mineralölfirma mit den Unternehmen der Kreditwirtschaft pauschal (und daher mutmaßlich konditionengünstiger) verhandeltes Zahlungssystem nutzen darf, führt nicht dazu, dass diese Gestaltung alternativlos und dem Handelsvertreter daher kostenlos zu gewähren wäre.

Anderes folgt auch nicht daraus, dass das OLG Hamm ein vom Unternehmer beschafftes und dem Handelsvertreter zur Verfügung gestelltes Computersystem zum Betrieb einer Tankstelle, ohne das eine erfolgreiche Handelsvertretertätigkeit in diesem Bereich nicht möglich war, als erforderliche Unterlage nach § 86a Abs. 1 HGB angesehen hat. Diese Einschätzung wäre auf die hiesige Fallgestaltung schon tatsächlich nicht zu übertragen, weil es vorliegend um standardisierte bargeldlose Zahlungsmöglichkeiten geht, für die Gewerbetreibenden eine Vielzahl von Anbietern am Markt zur Verfügung steht, einschließlich der hierfür erforderlichen technischen Gerätschaften. Im Übrigen hat das OLG Hamm seine Auffassung unter Hinweis auf die spätere BGH-Rechtsprechung  inzwischen ausdrücklich aufgegeben.

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Das Urteil ist für eine Veröffentlichung in der Rechtsprechungssammlung HVR-Online vorgesehen, die unter http://www.cdh-wdgmbh.de bestellt werden kann.