Bei einem Handelsvertretervertrag handelt es sich grundsätzlich um einen auf eine Geschäftsbesorgung gerichteten Dienstvertrag, so dass ebenfalls die allgemeinen Regelungen im BGB zur Beendigung von Dienstverhältnissen Anwendung finden. Aus einem Umkehrschluss des § 620 Abs. 2 BGB ergibt sich, dass aufgrund einer von den Vertragsparteien vorgenommenen Befristung eine vorzeitige ordentliche Kündigung grundsätzlich ausscheidet. Eine ordentliche Kündigung bleibt jedoch trotz einer Befristung des Vertrages zulässig, wenn die Parteien eine solche Kündigungsmöglichkeit ausdrücklich vereinbart haben.

OLG München, Urteil vom 06. April 2022 – 7 U 2746/20

Die Parteien streiten um den Beendigungszeitpunkt eines Handelsvertretervertrages.

Das zwischen den Parteien bestehende Handelsvertreterverhältnis endete durch die wirksame ordentliche Kündigung der Beklagten vom 31.07.2019 mit Ablauf des 31.01.2020, so das OLG München.

Zwar ist der gemäß Ziffer 17.1 des Handelsvertretervertrages in der Fassung vom 15.12.2009 ursprünglich unbefristet geschlossene Vertrag durch die Vereinbarung vom 18.12.2017 befristet worden, da die Parteien dort regelten, dass der Vertrag grundsätzlich zum 31.12.2020 enden sollte. Eine ordentliche Kündigung bleibt jedoch trotz einer Befristung des Vertrages zulässig, wenn die Parteien eine solche Kündigungsmöglichkeit vereinbart haben. So liegt der Fall hier.

Der Wortlaut der Änderungsvereinbarung vom 18.12.2017 eröffnet ausdrücklich die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung trotz der vorgenommenen Befristung des Vertrages. Der Vertrag sah schon in seiner ursprünglichen Fassung von 2009 in Ziffer 17.2 Abs. 1 vor, dass er von beiden Seiten ordentlich gekündigt werden könne; im ersten Vertragsjahr mit einer Frist von drei Monaten, ab dem zweiten Jahr mit einer Frist von sechs Monaten. Durch die Vereinbarung vom 18.12.2017 wurde der Vertrag nur in seiner Ziffer 17.1 geändert. Hinsichtlich Ziffer 17.2, die die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung vorsieht, wurde durch die Vereinbarung vom 18.12.2017 keine Änderung vorgenommen. Vielmehr heißt es dort „All the other contractual provisions are unchanged and will remain in force.“, sodass die Parteien in der Vereinbarung vom 18.12.2017 ausdrücklich ihren übereinstimmenden Willen zum Ausdruck brachten, dass die Änderung von Ziffer 17.1 die einzige Änderung sein solle und die restlichen Vertragsbestimmungen und damit auch Ziffer 17.2 mit der darin enthaltenen Möglichkeit der ordentlichen Kündigung unverändert fortgelten sollten.

An diesem Auslegungsergebnis ändert auch die Frage der 2017 von den Parteien vor Abschluss der Änderungsvereinbarung diskutierten Bankfinanzierung der Klägerin nichts. Dass der Geschäftsführer der Klägerin die Beklagte im Jahre 2017 darauf hingewiesen hatte, dass die Klägerin eine Bankfinanzierung in Anspruch nehmen wolle, ist zwischen den Parteien unstreitig. Streitig ist insoweit allerdings, ob die Bank der Klägerin die Finanzierung von der Vereinbarung einer Mindestlaufzeit im Handelsvertretervertrag abhängig machte. Selbst wenn man letzteres zu Gunsten der Klägerin unterstellt, ergibt sich in Anbetracht des eindeutigen Wortlauts der Vereinbarung vom 18.12.2017, wonach nur Ziffer 17.1 geändert werden sollte, alle anderen Vertragsbestimmungen und damit auch Ziffer 17.2 aber unverändert Bestand haben sollten, entgegen der Ansicht der Klägerin aus der Tatsache der Mitteilung der Klägerin an die Beklagte betreffend die Bankfinanzierung für einen objektiven Dritten nicht „die zwingende Auslegung dahin, dass von den Parteien im Sinne des § 620 BGB eine Kündbarkeit des Vertragsverhältnisses während der Festlaufzeit ausgeschlossen war“. Denn eine Mitteilung der Klägerin an die Beklagte über ihre Verhandlungsgründe und -ziele bedeutet nicht automatisch, dass sich die Klägerin in den Verhandlungen, die der Vereinbarung vom 18.12.2017 vorausgingen, mit ihrem Anliegen einer Mindestlaufzeit (von ca. 3 Jahren) unter Ausschluss der ordentlichen Kündigungsmöglichkeit auch durchsetzen konnte und deshalb diesem Anliegen von der Beklagten auch entsprochen wurde, obwohl der Wortlaut der Vereinbarung dem ausdrücklich entgegensteht.

Dass die Beklagte in den im Jahr 2019 erstellten Entwurf einer Änderungsvereinbarung in Ziffer 17.3 eine Regelung zur ordentlichen Kündigung aufgenommen hatte, obwohl doch jedenfalls nach Ansicht der Beklagten schon der Vertrag in der bisherigen, das heißt in der Fassung der Änderungsvereinbarung vom 18.12.2017, eine solche Regelung beinhaltet habe, rechtfertigt nicht den von der Klägerin hieraus gezogenen Schluss, dass der Vertrag 2017 nach dem wirklichen Willen der Parteien gar keine ordentliche Kündigung vorgesehen habe. Denn der Entwurf beinhaltet gegenüber dem Vertrag 2017 eine Neufassung der gesamten Ziffer 17. So enthielt der Entwurf eine im Vertrag 2017 nicht enthaltene Regelung zur automatischen Vertragsverlängerung unter bestimmten Voraussetzungen, sodass die bislang in Ziffer 17.2 enthaltenen Regelungen zur ordentlichen Kündigungen unter Weglassung der Regelung zur ordentlichen Kündigung im ersten, längst vergangenen Vertragsjahr im Entwurf von 2019 in die nächstfolgende neu Ziffer 17.3 wanderten. Die einfache Anordnung einer unveränderten Weitergeltung der Ziffer 17.2 wie in der Änderungsvereinbarung vom 18.12.2017 war deshalb nicht möglich. Ein Rückschluss auf die Willenslage der Beklagten bei Abschluss der Änderungsvereinbarung vom 18.12.2017 kann daraus jedenfalls nicht gezogen werden.

Unzutreffend ist auch die Erwägung der Klägerin, der Änderungsvereinbarung vom 18.12.2017 hätte es gar nicht bedurft, wenn hiermit nicht eine Mindestlaufzeit hätte vereinbart werden sollen. Denn Ziffer 17.1 in der Fassung vom 15.12.2009 einerseits und Ziffer 17.1 in der Fassung der Änderungsvereinbarung vom 18.12.2017 andererseits enthalten jeweils unterschiedliche Regelungsinhalte. Nach dem ursprünglichen Vertrag war der Vertrag unbefristet, nach der Änderungsvereinbarung endete er hingegen ohne die Notwendigkeit einer Kündigungserklärung automatisch am 31.12.2020, sofern bis zum 30.06.2020 ein Treffen zur Besprechung der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses stattgefunden haben sollte. Nur wenn dieses Treffen nicht bis zum 30.06.2020 stattgefunden haben sollte, sollte der Vertrag auf unbefristete Zeit verlängert werden.

Die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 27.12.2019 beendete das zwischen den Parteien bestehende Handelsvertreterverhältnis dagegen nicht. Dabei kann dahinstehen, ob die außerordentliche fristlose Kündigung vom 27.12.2019 den stipulierten formellen Anforderungen genügte und formwirksam war, da sie jedenfalls aufgrund des Fehlens eines wichtigen Grundes iSd. § 89a Abs. 1 S. 1 HGB materiell unwirksam war.

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