Der für die Privatnutzung eines betrieblichen PKW sprechende Anscheinsbeweis kann auch auf andere Weise als durch das Vorhandensein eines in Status und Gebrauchswert vergleichbaren Pkw im Privatvermögen laut einer aktuellen Entscheidung des FG Münster erschüttert werden.
Der Entscheidung des FG Münster – Urteil v. 16.8.2022 unter dem Aktz. 6 K 2688/19 E – lag der folgende Sachverhalt zugrunde:
Zum Haushalt der miteinander verheirateten Kläger gehörten in den Streitjahren 2015 und 2016 zwei volljährige Kinder. Im Privatvermögen hielten die Kläger im Streitzeitraum (teilweise nacheinander) insgesamt drei Kleinwagen, die in erster Linie von den Kindern genutzt wurden. Der Kläger unterhielt auf demselben Grundstück, auf dem sich auch das Wohnhaus der Familie befand, einen Gartenbaubetrieb, war aber hauptberuflich anderweitig als Arbeitnehmer beschäftigt. Die Klägerin arbeitete neben 20 weiteren Arbeitnehmern bzw. Aushilfen auf Mini-Job-Basis im Betrieb des Klägers.
Im Betriebsvermögen hielt der Kläger neben einem dem Vorarbeiter zugeordneten Dienstwagen einen BMW X3 und ab Februar 2015 einen Ford Ranger, für die keine Fahrtenbücher geführt wurden. Für den BMW versteuerte er die Privatnutzung nach der 1%-Regelung, während er für den Ford Ranger keinen Privatnutzungsanteil ansetzte. Das Finanzamt wandte demgegenüber auch für den Ford Ranger die 1%-Regelung an, da die privaten Fahrzeuge in Status und Gebrauchswert nicht mit diesem Pkw vergleichbar seien und nicht allen Familienmitgliedern jederzeit ein Fahrzeug zur privaten Nutzung zur Verfügung gestanden habe.
Zur Begründung ihrer Klage machten die Kläger geltend, dass der Ford Ranger den Mitarbeitern des Betriebs arbeitstäglich permanent als Zugmaschine zur Verfügung stehen müsse. Aufgrund des Verschmutzungszustands sei es lebensfremd, dieses Fahrzeug an Wochenenden für Familienfahrten zu nutzen. Hierfür bleibe wegen der geringen jährlichen Fahrleistung von durchschnittlich 8.900 km auch kein Raum.
Die Klage vorm FG Münster hatte Erfolg:
- Das FG ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht zu der Überzeugung gelangt, dass der Ford Ranger in den Streitjahren tatsächlich privat genutzt wurde.
- Nach dem Beweis des ersten Anscheins spricht die allgemeine Lebenserfahrung zwar dafür, dass betriebliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, auch tatsächlich privat genutzt werden. Dieser Anscheinsbeweis ist im Streitfall allerdings erschüttert.
- Zwar handelt es sich bei dem Ford Ranger um ein Fahrzeug, das sich typischerweise auch für eine Privatnutzung eignet. Auch der ebenfalls privat genutzte betriebliche BMW X3 ist nicht geeignet, den Anscheinsbeweis zu erschüttern, da er wegen der betrieblichen Nutzung nicht vollumfänglich für Privatfahrten zur Verfügung steht.
- Der Senat hat aber aufgrund des dargelegten Sachverhalts die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehens angenommen. Zunächst ist nachvollziehbar, dass der Ford Ranger permanent aufgrund seiner Zugkraft im Betrieb eingesetzt worden ist. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Kläger seinen Gartenbaubetrieb nur als Nebentätigkeit ausgeübt hat und den Ford Ranger damit nicht arbeitstäglich selbst genutzt haben konnte. Hierdurch ist die Möglichkeit einer Privatnutzung erheblich eingeschränkt gewesen.
- Zu berücksichtigen ist auch, dass beide Kläger für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte aufgrund der kurzen Entfernungen keinen Pkw benötigt haben. Schließlich hat der Ford Ranger auch nicht für bestimmte Anlässe privat genutzt werden müssen, da die Entsorgung von Grünschnitt über einen auf dem Grundstück befindlichen Container erfolgt und für den Umzug der Tochter ein Transporter geliehen worden ist.
Die Revision wurde zugelassen. Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des FG Münster veröffentlicht.