Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte über ein Vorabentscheidungsersuchen des Bundesarbeitsgerichts bezüglich der Abgeltung von bezahltem Jahresurlaub, zu entscheiden. Dabei ging es um die Frage, ob der Lauf der Verjährungsfrist beginnen und enden kann, ohne dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit gegeben hat, seinen Urlaub in Anspruch zu nehmen.
Dem Urteil des EuGH vom 22. September 2022 mit dem Aktenzeichen – Rs. C‑120/21 – lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine vormals in einer Kanzlei tätige Steuerfachangestellte klagte auf Urlaubsabgeltung der Vorjahre. Sie war von 1996 bis Juli 2017 beschäftigt und konnte den ihr zustehenden Urlaub aufgrund ihres großen Arbeitsvolumens nicht vollständig nehmen. Der Arbeitgeber hatte die Klägerin weder aufgefordert, weiteren Urlaub zu nehmen, noch darauf hingewiesen, dass nicht beantragter Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfallen könne. Als die ehemalige Mitarbeiterin 2018 die Abgeltung des Urlaubs der Vorjahre geltend machte, berief sich ihr Arbeitgeber auf die Verjährung dieser Ansprüche.
Während erstinstanzlich das ArbG Solingen (Urt. v. 19.02.2019, Az. 3 Ca 155/18) die Klage hinsichtlich der nach nationalen Recht verjährten Ansprüche abwies, gab das LAG Düsseldorf (Urt. v. 02.02.2020, Az. 10 Sa 180/19) der Klägerin Recht. Auf die arbeitgeberseitige Revision hin legte das BAG (Vorlagebeschluss v. 29.09.2020, Az. 9 AZR 266/20 [A]) dem EuGH die Sache zur Vorabentscheidung vor. Der EuGH sollte klären, ob das Unionsrecht die Verjährung des Urlaubsanspruchs gem. §§ 194 Abs. 1, 195 BGB trotz Verletzung der Hinweispflichten gestatte.
Laut EuGH verstößt eine nationale Regelung, bei der der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nach Ablauf einer Frist von drei Jahren verjährt, gegen Art. 7 der Arbeitszeit-RL 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 Grundrechtecharta, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht tatsächlich in die Lage versetzt hat, diesen Anspruch wahrzunehmen. Arbeitgeber müssen damit ihre Mitarbeiter auf vorhandenen Resturlaub ausdrücklich hinweisen, um die Verjährungsregeln der §§ 194 ff. BGB in Gang zu setzen.
Begründet hat der EuGH seine Entscheidung damit, dass dem Arbeitnehmer als schwächere Partei innerhalb des Arbeitsverhältnisses nicht alleine die Pflicht obliegen könne, den Anspruch auch tatsächlich wahrzunehmen. Der Arbeitgeber habe zumindest eine Hinweis- und Aufforderungsverpflichtung. Andernfalls würde ein Verhalten gebilligt werden, dass zu einer unrechtmäßigen Bereicherung des Arbeitgebers führen würde. Das Bundesarbeitsgericht muss nun prüfen, inwieweit der Arbeitgeber im vorliegenden Fall der Hinweis- und Aufforderungsverpflichtung nachgekommen ist.
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