Gerade wenn es in den vertraglichen Beziehungen zwischen Handelsvertreter und vertretenem Unternehmer kriselt, sucht die Unternehmerseite gerne nach einem Kündigungsgrund, der gleichzeitig bei einem schuldhaften Verhalten des Handelsvertreters das Entstehen eines Ausgleichsanspruches ausschließen kann. Als ein solcher Grund wird oftmals ein vermeintlicher Konkurrenzverstoß des Handelsvertreters herangezogen.

Bislang war die Rechtsprechung bei einem bewahrheiteten Konkurrenzverstoß äußerst streng – in der jüngeren Rechtsprechung wird sich nun zum Teil für eine Würdigung der Gesamtumstände ausgesprochen. Kommt diese zum Ergebnis, dass die Annahme eines vollständigen Vertrauensverlustes nicht gerechtfertigt ist, ist eine fristlose Kündigung ausgeschlossen. Bei Zuwiderhandlungen gegen das Konkurrenzverbot, das unbestritten eine zentrale Verpflichtung des Handelsvertreters gemäß § 86 Abs. 1 HGB gegenüber seinem vertretenen Unternehmen darstellt, legten Rechtsprechung und Literatur seither einen strengen Maßstab an.

Strenger Maßstab

Dass somit auch wirtschaftlich untergeordnete Vermittlungstätigkeiten für ein Konkurrenzunternehmen im Grundsatz gegen § 86 HGB bzw. vertraglich vereinbarte Wettbewerbsverbote verstoßen können, entspricht daher auch der überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur. Die heimliche oder offene Hinwegsetzung des Handelsvertreters über das Konkurrenzverbot führt nämlich, so die herrschende Meinung, in aller Regel zu einer nachhaltigen Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen den Vertragsparteien. Der vorsätzliche oder grob fahrlässige Verstoß gegen das Konkurrenzverbot soll damit auch unmittelbar zu einem außerordentlichen Kündigungsrecht des Unternehmers aus wichtigem Grund gemäß § 89a HGB führen ohne ein vorheriges Abmahnungserfordernis.

Würdigung der Gesamtumstände

In der jüngeren Rechtsprechung wird sich nun zunehmend für eine Würdigung der Gesamtumstände bei einem Konkurrenzverstoß, in der sowohl die Schwere des Verstoßes als auch die vorherigen Leistungen des Handelsvertreters gewichtet werden, ausgesprochen. Führt diese zum Ergebnis, dass die Annahme eines vollständigen Vertrauensverlustes nicht gerechtfertigt ist, ist eine fristlose Kündigung zumindest ohne vorherige Abmahnung ausgeschlossen.

Anschaulich wird diese neuere Tendenz in einer Entscheidung des OLG Stuttgart (Aktz. 5 U 52/09 veröffentlicht HVR Nr. 1326) dargestellt. In den Entscheidungsgründen wird betont, dass bei Verstößen gegen das Konkurrenzverbot erst nach einer Würdigung der Gesamtumstände zu entscheiden sei, ob die geltend gemachten Pflichtverletzungen dem Unternehmer tatsächlich ein weiteres Festhalten am Vertrag nicht mehr zumutbar erscheinen lassen. Auch ließ das OLG Stuttgart dabei die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht außer Acht nach der eine Konkurrenztätigkeit (nur) „regelmäßig“ das Vertrauensverhältnis vollständig zerstöre. Dies eröffne den Raum für die erforderlich erachteten Abwägungen im Einzelfall.

Zugrundeliegender Sachverhalt

Objektiv hatte der betreffende Handelsvertreter, der im Bereich der Versicherungsvermittlung tätig war, mit seiner Konkurrenztätigkeit zwar sowohl gegen die in § 86 HGB verankerte Pflicht zur Wahrnehmung der Interessen des vertretenen Unternehmens als auch gegen eine zusätzlich im Agenturvertrag getroffene Regelung zur Unterlassung von Tätigkeiten für Konkurrenzunternehmen verstoßen. Mit Blick auf Umfang und wirtschaftliche Tragweite der vorzuwerfenden Konkurrenzverstöße hatte nach Auffassung des OLG Stuttgarts weder nach § 89a HGB noch auf Grundlage der zusätzlich im Agenturvertrag getroffenen Regelung ein Recht des vertretenen Unternehmens zur fristlosen Kündigung des bestehenden Agenturvertrags bestanden. Unbestritten hatte der betreffende Handelsvertreter jedoch verschiedenen Konkurrenzunternehmen über einen längeren Zeitraum hinweg in vereinzelten Fällen Kunden zugeführt.

Doppelte Zumutbarkeitsprüfung

Die Feststellung, ob diese Pflichtverletzungen einen wichtigen Grund zur Kündigung des Handelsvertretervertrages wegen eines Konkurrenzverstoßes begründeten, erforderte jedoch nach Ansicht der Richter des OLG Stuttgart und auch bereits vereinzelter in der Literatur anzutreffenden Stimmen eine doppelte Zumutbarkeitsprüfung. Danach dürfe es dem Kündigenden nämlich nicht zuzumuten sein, das Vertragsverhältnis überhaupt fortzusetzen (Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung) und ihm dürfe darüber hinaus nicht zumutbar sein, die ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten (zeitliche Unzumutbarkeit). Die gebotene Einzelfallabwägung habe dabei bei der Frage anzusetzen, ob das Verhalten des Handelsvertreters nach umfassender Würdigung aller Gesamtumstände einen so nachhaltigen und endgültigen Vertrauensverlust rechtfertige, dass dem Unternehmer ein weiteres Festhalten am Vertragsverhältnis bzw. ein Abwarten bis zur nächsten ordentlichen Kündigungsmöglichkeit nicht zumutbar gewesen sei. Abwägungskriterien seien dabei u.a. Art, Schwere und Dauer der Vertragsverletzung, die Vorgeschichte, vermögensrechtliche Folgen der fristlosen Kündigung für den Gekündigten, auch im Vergleich zum Ausspruch einer ordentlichen Kündigung, Art und Dauer der bisherigen Zusammenarbeit der Parteien, die bisherigen Leistungen des Handelsvertreters, besonders wenn sie über einen langen Zeitraum einwandfrei erbracht worden seien, und auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Erhalt des Vertrauensverhältnisses

Bei Verstößen gegen das dem Handelsvertreterrecht immanente Konkurrenzverbot muss nämlich stets das hinter dem Verbot stehende Anliegen des Erhalts des Vertrauensverhältnisses zum Handelsvertreter im Auge behalten und erst nach einer Würdigung aller Gesamtumstände entschieden werden, ob die vorgeworfenen Vertragsverletzungen gerade im Hinblick auf dieses wechselseitige Vertrauensverhältnis nach Art, Umfang und Dauer ein solches Gewicht haben, dass dem Unternehmer ein weiteres Festhalten am Vertrag wirklich nicht mehr zumutbar ist. Nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass der nach wie vor strenge Maßstab an das Konkurrenzverbot des Handelsvertreters in diesem Pflichtenkreis nicht zu einer Ausuferung des Begriffsinhaltes des wichtigen Grundes führt.

Auch darf der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei dem schwerwiegenden Eingriff, den die fristlose Kündigung für den Handelsvertreter darstellt, nicht unbeachtet bleiben. Denn der mit einer außerordentlichen Kündigung bei einem schuldhaftem Verhalten verbundene Entfall des Handelsvertreterausgleichs gem. § 89b Abs. 3 Nr. 2 HGB bedarf einer besonderen Rechtfertigung, mithin einer nach Art, Dauer und Umfang besonders schwerwiegenden Vertragsverletzung.

Konkrete Abwägung

Im entschiedenen Sachverhalt sei die Konkurrenztätigkeit jedoch gemäß dieser anzusetzenden Grundsätze nicht geeignet gewesen, den Absatz des vertretenen Unternehmens nachhaltig zu beeinträchtigen. Denn der Handelsvertreter habe nur diejenigen Kunden einem Konkurrenzunternehmen zugeführt, die der vertretene Unternehmer in der betreffenden Produktsparte nicht haben wollte. Auch seien derartige Kunden z.T. sogar später wieder für den vertretenen Unternehmer zurück gewonnen worden. Ebenfalls seien nur vereinzelte Verstöße vorgefallen. Zudem habe nicht die Gefahr bestanden, dass die um gedeckten Kunden weitere mit dem Unternehmer bestehende Versicherungsverträge kündigten. Darüber hinaus habe die Vertragsbeziehung mit der Person des Handelsvertreters über 37 Jahre bestanden – davon 22 Jahre als Handelsvertreter. Er sei in diesen Jahren zudem äußerst erfolgreich gewesen und sei deshalb sogar vom Unternehmer häufiger prämiert worden. In einer solchen Konstellation bedürfe der Verlust des Ausgleichsanspruches einer besonderen Rechtfertigung, die nicht vorgelegen habe.

Resümee

Diese jüngere Tendenz in der Rechtsprechung bedeutet nun jedoch nicht, dass es der Handelsvertreter mit der Einhaltung des Konkurrenzverbotes nicht mehr so ernst zu nehmen hat – zumal es im gleichen Zeitraum auch Entscheidungen anderer OLGs gab, die eine derartige Zumutbarkeitsprüfung nicht einmal erwähnt haben. Allerdings kann diese gerade in für den Handelsvertreter unbillig erscheinenden Fällen angeführt werden, um den Unternehmer bei einem vorgehaltenen Konkurrenzverstoß doch nur zum Ausspruch einer Abmahnung zu bewegen. Ergänzend angeführt werden kann vom Handelsvertreter ebenfalls, dass eine unberechtigte Kündigung nicht zurückgenommen werden kann, und diese selbst für den Kündigungsempfänger wiederum in der Regel einen eigenen wichtigen Kündigungsgrund darstellt.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Bei Zuwiderhandlungen des Handelsvertreters gegen das Konkurrenzverbot legen Rechtsprechung und Literatur grundsätzlich einen strengen Maßstab an.
  • In der jüngeren Rechtsprechung wird sich zunehmend für eine Würdigung der Gesamtumstände bei einem Konkurrenzverstoß, in der sowohl die Schwere des Verstoßes als auch die vorherigen Leistungen des Handelsvertreters gewichtet werden, ausgesprochen.
  • Der mit einer außerordentlichen Kündigung bei schuldhaftem Verhalten verbundene Entfall des Handelsvertreterausgleichs bedarf einer besonderen Rechtfertigung, mithin einer nach Art, Dauer und Umfang besonders schwerwiegenden Vertragsverletzung.