Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat entschieden, dass das Land Niedersachsen Fahrzeuge mittels der sogenannten „Abschnittskontrolle“ (=Section Control) auf der B 6 zwischen Gleidingen und Laatzen überwachen darf. Diese von Niedersachsen als erstem Bundesland erprobte Geschwindigkeitsüberwachungsanlage kann daher wieder in Betrieb genommen werden. Die Berufung der Polizeidirektion Hannover für das Land Niedersachsen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover war damit erfolgreich.
Die Besonderheit dieser, in anderen europäischen Ländern schon länger eingesetzten Art der Geschwindigkeitsüberwachung besteht darin, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit über eine längere, hier rund zwei Kilometer umfassende Strecke ermittelt wird. Deshalb werden bei Ein- und Ausfahrt in die bzw. aus der überwachte(n) Strecke vorsorglich die Kennzeichen aller Fahrzeuge erfasst, und zwar unabhängig von ihrer Geschwindigkeit.
VG verweist auf Eingriff in Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung
Die Untersagung dieser Art der Überwachung durch das Verwaltungsgericht in erster Instanz beruhte auf der Annahme, dass damit in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen werde, die dann erforderliche gesetzliche Eingriffsermächtigung aber im Zeitpunkt seiner Entscheidung, im März 2019, gefehlt habe.
Niedersächsisches Polizeigesetz schafft erforderliche gesetzliche Eingriffsermächtigung
Die unterlegene Polizeidirektion Hannover trug zur Begründung ihrer Berufung vor, dass mit dem Ende Mai wirksam gewordenen § 32 Abs. 7 des niedersächsischen Polizeigesetzes (= NPOG) die erforderliche gesetzliche Eingriffsermächtigung geschaffen worden und auf diese aktuelle Rechtslage abzustellen sei; dem Kläger stehe deshalb der geltend gemachte Unterlassungsanspruch jedenfalls jetzt nicht mehr zu.
OVG hält Einsatz der Anlage für gerechtfertigt
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht folgte der Argumentation der Polizeidirektion und änderte das Urteil des Verwaltungsgerichts. Ausschlaggebend hierfür war, dass gegen die Verfassungsmäßigkeit des maßgebenden § 32 Abs. 7 NPOG keine durchgreifenden Bedenken bestünden, er gerade für die Pilotanlage auf der B 6 geschaffen worden und daher auch der Einsatz der dortigen Anlage gerechtfertigt sei. Jedenfalls dem Kläger seien sowohl der Standort der Anlage als auch seine datenschutzrechtlichen Informationsrechte hinreichend bekannt.
§ 32 Abs. 7 NPOG lautet:
Die Verwaltungsbehörden und die Polizei dürfen im öffentlichen Verkehrsraum zur Verhütung der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von Kraftfahrzeugen nach Maßgabe des Satzes 2 Bildaufzeichnungen offen anfertigen und damit auf einer festgelegten Wegstrecke die Durchschnittsgeschwindigkeit eines Kraftfahrzeugs ermitteln (Abschnittskontrolle). Die Bildaufzeichnungen dürfen nur das Kraftfahrzeugkennzeichen, das Kraftfahrzeug und seine Fahrtrichtung sowie Zeit und Ort erfassen; es ist technisch sicherzustellen, dass Insassen nicht zu sehen sind oder sichtbar gemacht werden können. Bei Kraftfahrzeugen, bei denen nach Feststellung der Durchschnittsgeschwindigkeit keine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit vorliegt, sind die nach Satz 2 erhobenen Daten sofort automatisch zu löschen. Die Abschnittskontrolle ist kenntlich zu machen.
Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 13.11.2019 – 12 LC 79/19 –