Ein Autofahrer ist innerorts mit über 100 km/h unterwegs. Nach einem Unfall fordert er von der gegnerischen Versicherung Schaden­ersatz, da er sich auf der Vorfahrts­straße befunden hatte – mit Erfolg?

Wer mit dem Auto viel zu schnell fährt, muss im Einzelfall nach einem Unfall allein haften – auch wenn man Vorfahrt hatte. Das zeigt ein Urteil des Kammer­gerichts Berlin.

Im vorliegenden Fall wollte ein Autofahrer innerorts links abbiegen. Er beobachtete den vorfahrts­berechtigten Gegen­verkehr und fuhr los. Da kam ein zweites Auto von vorn heran und die Fahrzeuge stießen zusammen. Es wurde ermittelt, dass der zweite Fahrer mit 104 km/h und damit mehr als doppelt so schnell wie erlaubt unterwegs gewesen war. Allerdings forderte er von der Versicherung des Abbiegenden einen Schaden­ersatz in Höhe von einem Drittel. Wegen des erhöhten Tempos setzte er sein eigenes Verschulden mit zwei Dritteln an. Die gegnerische Versicherung weigerte sich aber wegen des hohen Tempos überhaupt zu zahlen. Das Gericht musste entscheiden.

Die Richter entschieden eindeutig: Die Versicherung musste nicht zahlen. Zwar hätte der Links­abbieger einen Pflicht­verstoß begangen und hätte besonders vorsichtig beim heran­nahenden Gegen­verkehr agieren müssen. Da es dunkel gewesen war, hätte er noch genauer beobachten müssen, wie schnell sich der Gegen­verkehr nähert. Doch der Vorfahrts­berechtigte musste hier allein haften. Denn wer mehr als doppelt so schnell wie erlaubt fährt, begeht einen besonders schweren Verkehrs­verstoß. Im Regelfall zieht das trotz Vorfahrt die Allein­haftung nach einem Unfall nach sich.

(Kammergericht Berlin, Urteil vom 22.08.2019, Az. 22 U 33/18)