Wer Anzeichen für einen Verkehrsunfall auf der eigenen Fahrbahn ignoriert und mit voller Geschwindigkeit auf die Unfallstelle zufährt, kann keinen Schadensersatz wegen einer Kollision verlangen. Das hat das LG Lübeck Ende des vergangenen Jahres entschieden.

Der Entscheidung des LG Lübeck lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Mercedes-Fahrer kollidierte auf der Autobahn mit einem Reh. Sein Fahrzeug verlor hierbei einige Teile auf dem linken Fahrstreifen. Dort blieben auch Teile des Rehkadavers liegen. Mehrere Minuten nach dem Unfall erreichte ein Audi-Fahrer die Erstunfallstelle. Er fuhr auf dem linken Fahrstreifen mit einer Geschwindigkeit von 130 km/h. Dabei bemerkte er eine Person, die 500 Meter vor ihm ohne Warnweste auf seinem Fahrstreifen lief. Auf Höhe dieser Person will der Audi-Fahrer mit Teilen des Reh-Kadavers kollidiert sein, wodurch erhebliche Schäden am Fahrzeug entstanden sein sollen. Der Audi-Fahrer wollte diesen Schaden vollständig ersetzt bekommen. Die Erstunfallstelle sei bei seinem Eintreffen nicht abgesichert gewesen und er habe seine Geschwindigkeit bis hin zur Vollbremsung reduziert, sobald er die Person auf seinem Fahrstreifen bemerkt habe. Die Versicherung der Eigentümerin des Mercedes lehnte das ab. Darauf versuchte der Audi-Fahrer seinen Anspruch vor dem LG Lübeck gegen die Versicherung und den Mercedes-Fahrer durchzusetzen.

Nach Ansicht des Gerichts (LG Lübeck, Urteil vom 29.12.2023 –Aktz. 9 O 1/22) wurde der Zweitunfall ganz überwiegend durch den Audi-Fahrer selbst verursacht. Indem er „die ausreichende Absicherungsmaßnahme durch das Warndreieck und die Bedeutung einer betriebsfremden Person auf der Autobahn grob missachtet habe und darauf verzichtet habe, dies zum Anlass zu nehmen, um besonders aufmerksam zu sein. Ohne seine Fahrgeschwindigkeit deutlich zu reduzieren und sich bremsbereit zu halten, habe er jegliche Sorgfalt außer Acht gelassen, die in der durch ihn selbst vorgetragenen Ausgangslage erforderlich gewesen sei, um sich vor Schäden zu bewahren“. Er habe sich schließlich „sehenden Auges ohne sachlichen Grund selbst in Gefahr begeben“. Vor diesem Hintergrund hielt das Gericht eine Haftung des Mercedes-Fahrers und der Versicherung nicht für gerechtfertigt.