Zum Schutz vor missbräuchlichen Abmahnungen deckelt § 97a UrhG den Streitwert für Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen auf 1.000 €, sofern die abgemahnte Person Verbraucherin bzw. Verbraucher ist. Die Streitwertdeckelung auf 1.000 € nach § 97a UrhG gilt im Verhältnis zwischen Rechteinhaber und Abgemahntem. Im Verhältnis zum Rechteinhaber kann jedoch der Anwalt des Rechteinhabers zum höheren, nach der Rechtsprechung anzusetzenden Gegenstandswert (mind. 10.000 €) abrechnen. Das führt in der Praxis – wie auch im vorliegenden Fall – zu Divergenzen, die Rechteinhaber müssen ihre erheblich höheren Anwaltsgebühren aus dem tatsächlichen Streitwert selbst tragen, soweit sie die Kosten aus einem Streitwert von 1.000 € übersteigen.

Der Entscheidung des EuGH Urteil v. 28.4.2022 Akz. C-559/20 – lag ein Vorabentscheidungsersuchen des LG Saarbrücken zugrunde. Die Koch Media GmbH hatte einen Internetnutzer durch eine Kanzlei abmahnen lassen, weil er das Computerspiel „This War of Mine“ auf einer Filesharing-Plattform zum Download angeboten haben soll. Der Gegenstandswert für den Unterlassungsanspruch des Rechteinhabers bei einer Urheberrechtsverletzung in Bezug auf aktuelle Filme, Musik oder DVDs beträgt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung jedenfalls über 10.000 €. Der Koch Media GmbH entstanden Anwaltskosten in Höhe von knapp 1.000 €, basierend auf dem von der Kanzlei zugrunde gelegten Gegenstandswert von 20.000 €; diese Kosten machte sie gegenüber dem Abgemahnten geltend.

Das AG Saarbrücken verurteilte den Abgemahnten jedoch nur zur Zahlung von 124 €, basierend auf dem nach § 97a III 2 UrhG gedeckelten Streitwert von 1.000 €; im Übrigen wies es die Klage ab.

Auf die Berufung der Koch Media GmbH legte das LG Saarbrücken dem EuGH die Frage vor, ob die Streitwertdeckelung u.a. mit Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums vereinbar ist. Dieser sieht vor, dass die Prozesskosten und sonstigen Kosten der obsiegenden Partei in der Regel, soweit sie zumutbar und angemessen sind, von der unterlegenen Partei getragen werden, sofern Billigkeitsgründe dem nicht entgegenstehen.

Der EuGH entschied, dass Abmahnkosten „sonstige Kosten“ im Sinne von Art. 14 der Richtlinie sind und dass Art. 14 einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die vorsieht, dass die zu erstattenden „sonstigen Kosten“ pauschal auf der Basis eines gedeckelten Streitwerts berechnet werden:

  • Voraussetzung ist jedoch, dass das nationale Gericht hiervon abweichen darf, sofern die Anwendung der Deckelung unter Berücksichtigung der spezifischen Merkmale des ihm vorgelegten Falles unbillig ist.
  • Der Gerichtshof setzt sich in seiner Entscheidung damit auseinander, dass Rechteinhaber jedenfalls einen erheblichen, angemessenen Teil ihrer Anwaltskosten erstattet bekommen müssen, damit Abmahnungen nicht ihre abschreckende Wirkung verlieren.
  • Die Höhe der letztlich selbst zu tragenden Kosten darf die Rechteinhaber nicht davon abhalten, ihre Rechte gerichtlich geltend zu machen.
  • Art. 14 der Richtlinie sieht aber auch vor, dass eine Erstattung ausscheidet, wenn Billigkeitsgründe es verbieten, der unterliegenden Partei die (an sich der Höhe nach angemessenen) Kosten aufzuerlegen.
  • Das nationale Gericht muss prüfen können, ob ein Antrag auf Verurteilung zur Tragung der Kosten eines Vertreters für eine Abmahnung u.a. fair, gerecht und nicht missbräuchlich ist. § 97a Abs. 3 UrhG soll sicherstellen, dass die von der unterlegenen Partei zu tragenden Kosten zumutbar und angemessen sind; er ermöglicht dem Gericht außerdem, in jedem Einzelfall dessen spezifische Merkmale zu berücksichtigen.