Laut der Entscheidung des BGH vom 22. Juni 2022 unter dem Aktenzeichen IV ZR 253/20 – sei eine wirksame Grundlage für Prämienanpassungen in der privaten Krankenversicherung in § 8b Abs. 1 MB/KK 2009 (Musterbedingungen 2009 des Verbandes der privaten Krankenversicherung; i.F.: MB/KK) in Verbindung mit den Tarifbedingungen des Versicherers enthalten. Dies betreffe Beitragserhöhungen, bei denen der Vergleich der erforderlichen mit den kalkulierten Versicherungsleistungen eine Abweichung über dem tariflich festgelegten Prozentsatz von 5 % ergeben habe, der gesetzliche Schwellenwert von 10 % aber nicht überschritten werde.

Hintergrund der Entscheidung war die Klage eines privat Krankenversicherten der sich gegen mehrere Beitragserhöhungen seines privaten Krankenversicherers gewendet hatte, die er für unwirksam hielt. Daher klagte er u.a. auf Rückzahlung der auf die Beitragserhöhungen gezahlten Prämienanteile.

Das LG wies die Klage zunächst ab. Das OLG änderte das Urteil teilweise ab Teil ab und verurteilte die beklagte private Krankenversicherung u.a. zur teilweisen Rückzahlung der Prämienanteile. Mehrere Prämienerhöhungen seien wegen einer unzureichenden Begründung in den Mitteilungsschreiben zunächst nicht wirksam geworden. Weitere Prämienanpassungen seien dagegen endgültig unwirksam, da die Beitragsanpassungsklausel in § 8b Abs. 1 und 2 MB/KK unwirksam sei.

Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil nun auf und wies die Berufung gegen das klageabweisende Urteil teilweise zurück und verwies die Sache im Übrigen zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Hinsichtlich der Prämienanpassungen, die das OLG noch für materiell unwirksam gehalten hatte, wurde  das Berufungsurteil nicht bestätigt. Für diese Erhöhungen besteht eine wirksame Prämienanpassungsklausel in § 8b Abs. 1 MB/KK i.V.m. den Tarifbedingungen des Versicherers, so die Richter des 4. Senates des BGH.

Zwar sei § 8b Abs. 2 MB/KK unwirksam. Diese Regelung weiche entgegen § 208 Satz 1 VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers von § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG ab. Während nach der gesetzlichen Vorschrift eine Prämienanpassung zwingend voraussetze, dass die Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage nicht nur als vorübergehend anzusehen sei, sehe § 8b Abs. 2 MB/KK vor, dass der Versicherer bei einer nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung von der Prämienanpassung absehen „kann“, d.h. auch in diesem Fall sei sie nicht ausgeschlossen.

Die Unwirksamkeit von § 8b Abs. 2 MB/KK habe aber nicht zur Folge, dass auch § 8b Abs. 1 MB/KK unwirksam und die darauf bezugnehmende Regelung in den Tarifbedingungen des Versicherers nicht mehr anwendbar wäre. § 8b Abs. 1 MB/KK weiche nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers von den gesetzlichen Vorschriften über die Prämienanpassung ab. Die Klausel enthalte dieselben Voraussetzungen wie § 203 Abs. 2 VVG und erlaubt eine Prämienanpassung insbesondere nur bei einer Veränderung der Rechnungsgrundlagen, die nicht nur als vorübergehend anzusehen seien. Mit der Regelung des § 8b Abs. 1 MB/KK i.V.m. den Tarifbedingungen mache der Versicherer allein von der ihm in § 155 Abs. 3 Satz 2 VAG eröffneten Möglichkeit Gebrauch, den Schwellenwert für die Prüfung einer Beitragsanpassung von 10 % auf 5 % abzusenken. Der Bestand der Regelung in § 8b Abs. 1 MB/KK werde auch durch die Streichung von § 8b Abs. 2 MB/KK nicht beeinträchtigt, da der Sinn der verbleibenden Regelung weiterhin aus sich heraus verständlich sei.

Das Berufungsurteil war daher teilweise aufzuheben. Hinsichtlich mehrerer Nebenforderungen war das klageabweisende Urteil des LG wiederherzustellen. Soweit das OLG zu Unrecht von einer materiellen Unwirksamkeit der Prämienanpassungen ausgegangen ist und deren formelle Wirksamkeit noch nicht geprüft hat, war die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückzuverweisen, damit es diese Prüfung nachholen kann.

Die vom BGH bislang nur veröffentlichte Presseerklärung zu dieser Entscheidung finden Sie hier.  http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&pm_nummer=0095/22