Im deutschen Handelsvertreterrecht ist anerkannt, dass nicht nur Vermittler von Waren als Handelsvertreter im Sinne des § 84 Absatz 1 HGB gelten, sondern auch Vermittler von Dienstleistungen (und nach § 92 HGB ausdrücklich auch Versicherungsvermittler). Nach deutschem Recht genießen also nicht nur Warentreter den Schutz des Handelsvertreterrechts, welches dem Handelsvertreter gewisse Rechte, wie den Ausgleichsanspruch oder spezielle Kontrollrechte, wie etwa den Buchauszug, verleiht. Auch Vertreter von Dienstleistungen, wie beispielsweise von Telefonverträgen, fallen unter den Handelsvertreterbegriff i.S.d. § 84 Absatz 1 HGB. Dies gilt jedoch nicht automatisch in allen EU-Staaten.
Teilweise nur Schutz des Warenvertreters
Da die Handelsvertreterrichtlinie, die von den EU-Staaten in nationales (Handelsvertreter-)Recht umgesetzt wurde, ausdrücklich lediglich den Warenvertreter schützt, bleibt es den Mitgliedstaaten unbenommen, selbst zu entscheiden, ob diese auch Vermittler von Dienstleistungen unter den Schutz ihres Handelsvertreterrechts stellen wollen. So schützen die Länder Dänemark, Finnland, Griechenland, Irland, Luxemburg, Norwegen, Schweden, Ungarn, Zypern sowie das ehemalige EU-Mitglied Großbritannien im Gegensatz zu Deutschland und den weiteren Ländern der EU lediglich Warenvertreter. Es ist also möglich, dass ein deutscher Vertreter von Dienstleistungen, der auf Grundlage des Rechts eines der genannten Staaten agiert, gar keinen Handelsvertreterstatus hat und somit auch nicht in den Genuss des dortigen Handelsvertreterrechts kommt. Deswegen sollten gerade deutsche Handelsvertreter, die reine Dienstleistungen für Hersteller aus anderen EU-Mitgliedstaaten vermitteln, besser deutsches Recht als anwendbar auf das Vertragsverhältnis erklären, um sicherzugehen, dass ihre Vermittlungstätigkeit auch vom Handelsvertreterrecht geschützt wird und entsprechende Rechte gesichert werden.
EuGH zum Begriff „Ware“
Übrigens wird dieses Jahr ein wichtiges Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) erwartet, zur Frage, ob die Vermittlung einer Software (ohne dazugehöriger Hardware) unter den Begriff der „Ware“ i.S.d. Richtlinie fällt. In dem Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofs des Vereinigten Königreichs (The Software Incubator Ltd/Computer Associates (UK) Ltd – C-410/19), das – nebenbei bemerkt – vor dem Brexit gestellt wurde, hat der EuGH zu entscheiden, ob die Vermittlung von Verträgen zur Lieferung einer Software und der entsprechenden Nutzungslizenz per E-Mail unter den Warenbegriff der Richtlinie fällt. Von dieser Frage hängt nämlich ab, ob der britische Vermittler in der Rechtssache einen Ausgleichsanspruch, bzw. Schadensersatz geltend machen kann, da nach britischem Recht nur der Warenvertreter als Handelsvertreter anerkannt wird. In Deutschland wäre diese Frage wohl nicht aufgekommen, da nach deutschem Recht auch Nicht-Warenvermittler als Handelsvertreter geschützt sind und somit auch Vermittler von Software. Für die oben genannten Länder, die lediglich Warenvertreter schützen, ist die erwartete Entscheidung allerdings wesentlich. In seinem Schlussantrag vom Dezember 2020 schlägt der mit der Sache befasste Generalanwalt des EuGH vor, auf die gestellte Frage zu antworten, dass die Lieferung einer Kopie einer Computer-Software ohne entsprechendem Datenträger unter den Begriff der Ware fällt. In der Regel folgt der EuGH den Schlussanträgen der Generalanwälte. Die CDH wird über die Entscheidung des EuGH rechtzeitig informieren.
Kurz gefasst
- Dem deutschen Handelsvertreterrecht unterfallen Vermittler von Waren und von Dienstleistungen
- In einigen EU-Ländern fällt ausschließlich der Warenvertreter unter den Begriff „Handelsvertreter“
- Was unter den Begriff „Ware“ i.S.d. Handelsvertreterrichtlinie fällt, ist im Einzelfall zu entscheiden (Beispiel: Software)
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