Eine freiwillig vom Unternehmer für seinen Handelsvertreter finanzierte Altersversorgung wirkt sich im Regelfall bei Vertragsende ausgleichsmindernd aus. Grund dafür ist die funktionelle Verwandtschaft, denn eine Ausgleichszahlung hat je nachdem wann diese gezahlt wird, auch einen Altersvorsorgecharakter. In der Rechtsprechung wird mittlerweile einhellig vertreten, dass die Anrechnung einer derartigen Altersversorgung bei der Ausgleichsberechnung nur nach Prüfung der Unternehmervorteile im Rahmen einer einzelfallbezogenen Billigkeitsprüfung erfolgen kann.

Grundsätzlich wird dabei vertreten, dass lediglich der Bar- oder Kapitalwert der Altersversorgung abzuziehen ist. Bei der vorzunehmenden Einzelfallprüfung im Rahmen der Billigkeit ist ebenfalls von Bedeutung, ob der Handelsvertreter bereits eine unverfallbare Anwartschaft auf die Altersversorgung erworben hat. Denn in diesem Fall hat der Handelsvertreter auf die vom Unternehmer finanzierte Altersversorgung bereits einen sicheren Anspruch erworben, ganz im Gegenteil zu einem Ausgleichsanspruch, der immer nur als eine Chance anzusehen ist, bei der erst im Falle der Vertragsbeendigung zu beurteilen ist, ob und in welcher Höhe dieser tatsächlich entstanden ist. In Betracht zu ziehen ist eine Anrechnung grundsätzlich auch nur dann, wenn der Handelsvertreter in absehbarer Zeit die entsprechende Altersversorgung beanspruchen kann. Denn nur dann erfüllt diese den auch mit dem Ausgleichsanspruch verfolgten praktischen Zweck.

Eine solche Anrechnung wir nämlich als unzulässig angesehen, wenn die Altersversorgung erst viele Jahre nach Ende des Handelsvertretervertrages fällig wird, denn dann besteht eine sog. Fälligkeitsdifferenz. Eine solche Fälligkeitsdifferenz kann allerdings dann unbeachtlich sein, wenn die Parteien eine solche Anrechnung ausdrücklich bei Vertragsschluss bereits vereinbart haben. Derartige Anrechnungsvereinbarungen sind in der Praxis häufig auf zu finden, wobei aus nachvollziehbaren Gründen von den Unternehmen versucht wird, die Altersversorgung zwingend unter Ausschluss anderer Billigkeitsgesichtspunkte zur Anrechnung zu bringen.

Diese Umstände erklären, warum der Bundesgerichtshof (BGH) in der Vergangenheit bereits in mehreren Verfahren darüber zu entscheiden hatte, ob die in einem formularmäßig abgeschlossenen Handelsvertretervertrag enthaltene Klausel, nach welcher in Höhe des Kapitalwertes bzw. Barwert einer vom Versicherungsunternehmen finanzierten Versorgung „aus Billigkeitsgründen ein Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB nicht entsteht“, wirksam sein kann. Dabei war die vorgenannte Klausel nebst weiteren damit in Zusammenhang stehenden Vertragsklauseln Gegenstand einer Verbandsklage; in einem zweiten Verfahren begehrte der Handelsvertreter nach Beendigung des Vertreterverhältnisses im Wege der Individualklage Zahlung des von dem Versicherungsunternehmen von seinem Ausgleichsanspruch in Abzug gebrachten Rentenbarwertes. Die Vorinstanzen hatten der Verbandsklage stattgegeben, der im zweiten Verfahren geltend gemachten Zahlungsanspruch des Handelsvertreters war abgewiesen worden. Der BGH hat in beiden Fällen durch Urteil (VIII ZR 146/01 und VIII ZR 211/01) die Revision der jeweils unterlegenen Partei zurückgewiesen. Zur Begründung des im Verbandsklageverfahren ergangenen Urteils hat der BGH ausgeführt, die beanstandeten Klauseln verstießen gegen die Bestimmungen des § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 4 Satz 1 HGB und seien wegen Nichtbeachtung dieser zwingenden gesetzlichen Vorschriften nach § 9 Abs. 1 AGBG – jetzt § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB – unwirksam.

 Unabdingbarkeitsgrundsatz und Billigkeitsprüfung

 Gemäß dem in § 89 b Abs. 4 Satz 1 HGB normierten Unabdingbarkeitsgrundsatz kann der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nicht im Voraus ausgeschlossen werden. Auch Abreden, durch die der Ausgleichsanspruch im Ergebnis mehr oder weniger eingeschränkt wird, sind unwirksam. Die beanstandeten Klauseln enthielten nach Ansicht des BGH nicht nur eine Vereinbarung darüber, dass der Barwert der vom Versicherungsunternehmen finanzierten Versorgung – auch bei langer Wartezeit – in die Billigkeitsprüfung des § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB einbezogen werden solle. Vielmehr werde unter Verzicht auf die gesetzlich vorgeschriebene Billigkeitsprüfung der Ausgleichsanspruch ganz oder teilweise ausgeschlossen und damit die gebotene einzelfallbezogene Billigkeitsabwägung in diesem Umfang untersagt. Ob die mit Mitteln des Unternehmens aufgebrachte Altersversorgung bei der Bemessung des Ausgleichsanspruchs aus Billigkeitsgründen zu berücksichtigen sei, könne nicht allgemein, sondern nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles beantwortet werden. Durch eine Vereinbarung unter Ausschluss anderer Billigkeitsgesichtspunkte dürfe eine solche Anrechnung dagegen nicht im Voraus zwingend angeordnet werden.

 Abzug des Barwertes trotz Unwirksamkeit

 In dem anderen Verfahren hat der BGH ebenfalls die dort getroffene formularmäßige Anrechnungsklausel als unwirksam angesehen. Soweit die Vorinstanzen die vom Versicherungsunternehmen finanzierte Altersversorgung im Rahmen der zu treffenden Billigkeitsentscheidung nach § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB berücksichtigt und in Höhe des Barwertes von dem Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters abgezogen hatte, ist dies allerdings gebilligt worden. Der BGH hatte darauf hingewiesen, dass nach ständiger Rechtsprechung eine vom Unternehmen finanzierte Altersversorgung wegen der „funktionellen Verwandtschaft zwischen Ausgleichsanspruch und Altersversorgung“ auf den Ausgleichsanspruch angerechnet werden kann, wenn und soweit die ungekürzte Zuerkennung des Ausgleichsanspruchs unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls unbillig wäre. Trotz der erheblichen Fälligkeitsdifferenz zwischen Ausgleichsanspruch einerseits und Altersversorgung andererseits hat der BGH eine Kürzung des Ausgleichsanspruchs bejaht, weil dies zwischen den Parteien vertraglich vereinbart worden war.

Unwirksame Vertragsklausel als Billigkeitskriterium

 Obwohl mit Rücksicht auf den Unabdingbarkeitsgrundsatz gemäß § 89 b Abs. 4 Satz 1 HGB eine solche Vereinbarung ungeeignet war, im Voraus eine Minderung des Ausgleichsanspruchs zu bewirken, hätten die Parteien durch ihr Einverständnis bei Vertragsschluss jedenfalls zum Ausdruck gebracht, was sie für der Billigkeit entsprechend erachteten. Diesen Umstand habe das Berufungsgericht im Rahmen der von ihm zu treffenden Billigkeitsentscheidung zum Nachteil des Handelsvertreters, obwohl dieser bei Vertragsbeendigung erst 43 Jahre alt gewesen sei, berücksichtigen müssen. Es dürfe nicht übersehen werden, dass der Unternehmer bei einer Finanzierung der Altersversorgung eine dem Handelsvertreter obliegende Aufgabe übernehme, die dieser anderenfalls aus seinen laufenden Provisionseinkünften bestreiten müsste. Schließlich verringere sich auch mit ansteigender Fälligkeitsdifferenz der zu berücksichtigende Rentenbarwert, so dass damit der Ausgleichsbetrag entsprechend weniger gekürzt werde.

Bedeutung dieser Urteile

 Der BGH hat damit allen vor Vertragsende vereinbarten Klauseln die Wirksamkeit versagt, die eine Anrechnung der vom Unternehmer finanzierten Altersversorgungsleistungen auf den Ausgleich unter Ausschluss einer weiteren Billigkeitsprüfung im Einzelfall ohne Wenn und Aber vorsehen. Nach den Urteilen des Bundesgerichtshofs ist es aber möglich, zu vereinbaren, dass die aus Mitteln des Unternehmens angelegte Versorgung bei der Billigkeitsprüfung des Ausgleichsanspruchs im Einzelfall berücksichtigt werden kann. Vereinbart werden können dabei auch weitere Kriterien, die bei der Billigkeitsprüfung nach § 89 b Abs. 1 Nr. 3 HGB berücksichtigt werden sollen. Aus der zweiten Entscheidung des BGH geht darüber hinaus hervor, dass selbst im Fall einer erheblichen Fälligkeitsdifferenz, eine unwirksame Anrechnungsklausel zur Anrechnung der Altersversorgungsleistungen auf den Handelsvertreterausgleich im Rahmen der Billigkeitsprüfung führen kann. Auf die rechtliche Wirksamkeit der Klausel kommt es dabei nicht an, da die Parteien durch ihr Einverständnis mit einer solchen Regelung zum Ausdruck gebracht haben, was sie als der Billigkeit entsprechend erachten. Selbst eine nichtige Vereinbarung genügt damit, um die Altersversorgung als anspruchsmindernder Gesichtspunkt in der Billigkeitsprüfung unter Berücksichtigung des Einzelfalls mit einzubeziehen.

Konsequenzen für die Vertragspraxis

 Gerade unter dem Gesichtspunkt, dass vertretene Unternehmen steuerbegünstigte Rückstellungen

für die Einzahlungen in eine zusätzliche freiwillige Altersversorgung des Handelsvertreters bilden können – was für einen in der Zukunft irgendwann fälligen Ausgleichsanspruch eben gerade nicht möglich ist – und auch die späteren Leistungen aus der Altersvorsorge für den Handelsvertreter oftmals steuerlich günstiger sind, bleiben vom Unternehmer finanzierte Altersversorgungsleistungen weiterhin interessant. Bei der Vertragsgestaltung ist zu berücksichtigen, dass generelle Anrechnungsklauseln unzulässig sind. Vereinbart werden können allerdings Kriterien, die bei der individuellen Billigkeitsprüfung nach § 89 b Abs. 1 Nr. 3 HGB berücksichtigt werden sollen. Hierzu zählt eben auch die trotz Fälligkeitsdifferenz zu berücksichtigende Altersvorsorge. Außerdem hat eine einzelfallbezogene Billigkeitsprüfung unabdingbar stattzufinden, so dass auch kompensierende Billigkeitsgesichtspunkte aus Sicht des Handelsvertreters im Rahmen dieser Einzelfallprüfung immer Berücksichtigung finden können. Es liegt also am Handelsvertreter selbst, alle hierfür relevanten Umstände festzuhalten, umso ggfs. auch zu erreichen, dass eine Altersvorsorge trotz Anrechnungsklausel nur zum Teil oder auch gar nicht angerechnet wird. Auch macht es für den Handelsvertreter wenig Sinn auf eine mögliche Unwirksamkeit einer Anrechnungsklausel zu spekulieren. Die oben dargestellte Rechtsprechung verdeutlicht, dass der Inhalt einer solchen Klausel in der Billigkeitsprüfung dennoch Berücksichtigung finden kann. CDH-Mitgliedern, die derartige Anrechnungsvereinbarungen in ihren Handelsvertreterverträgen stehen haben oder die bei einem Neuabschluss eine solche unterzeichnen sollen, kann nur dringend geraten werden, sich bei ihrem CDH-Landesverband beraten zu lassen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Eine vom Unternehmer für seinen Handelsvertreter freiwillig finanzierte Altersversorgung wirkt sich im Regelfall bei Vertragsende ausgleichsmindernd aus.
  • Eine Anrechnung wir grundsätzlich als unzulässig angesehen, wenn die Altersversorgung erst viele Jahre nach Ende des Handelsvertretervertrages fällig wird, in diesem Fall besteht eine sog. Fälligkeitsdifferenz.
  • Eine Anrechnungsklausel kann gleichwohl im Rahmen der Billigkeitsprüfung auch bei einer Fälligkeitsdifferenz Berücksichtigung finden, wenn die Parteien die Anrechnung ausdrücklich vertraglich vereinbart haben.

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