Wer vom Parkplatz auf die Straße einfährt, ist auch dann nicht von den erhöhten Sorgfaltspflichten des § 10 StVO entbunden, wenn sich auf der bevorrechtigten Straße eine Fußgängerampel befindet, deren Rotlicht den Verkehr sperrt.

Nach einem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts Urteil v. 14. Februar 2023 unter dem Aktenzeichen 7 U 63/22 muss derjenige, der vom Parkplatz auf die Straße einfährt, auch dann die o. g. Sorgfaltspflichten beachten, wenn sich auf der bevorrechtigten Straße eine Fußgängerampel befindet, deren Rotlicht den Verkehr sperrt. Die Zeichengebung einer Ampel an einer Fußgängerfurt diene nur dem Schutz des dortigen Fußgängerverkehrs, nicht aber der Regelung der Verkehrsverhältnisse zur Einfahrt in die Straße.

Im Rahmen der bei einem Verkehrsunfall zweier Kraftfahrzeuge erforderlichen Abwägung gemäß § 17 Abs. 1 StVG sei auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen, insbesondere darauf, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden sei. Bei der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile der Fahrer der beteiligten Fahrzeuge seien unter Berücksichtigung der von beiden Fahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahr nur unstreitige bzw. zugestandene und bewiesene Umstände zu berücksichtigen. Jeder Halter habe dabei die Umstände zu beweisen, die dem anderen zum Verschulden gereichen und aus denen er für die nach § 17 Abs. 1 u. 2 StVG vorzunehmende Abwägung für sich günstige Rechtsfolgen herleiten wolle.

Nach diesem Maßstab habe der mit seinem PKW von einem Parkplatz eines Discounters auf die Straße eingefahrene Kläger die Haftung für den Unfall alleine zu tragen. Der Kläger habe vorliegend einen Verstoß gegen § 10 StVO begangen. Hiernach habe, wer aus einem Grundstück, aus einer Fußgängerzone, aus einem verkehrsberuhigten Bereich auf die Straße oder von anderen Straßenteilen oder über einen abgesenkten Bordstein hinweg auf die Fahrbahn einfahren oder vom Fahrbahnrand anfahren will, sich dabei so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sei; erforderlichenfalls müsse man sich einweisen lassen. Komme es im unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Ein- und Ausfahren zu einem Unfall mit dem fließenden Verkehr, so spreche der Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des Ein- bzw. Ausfahrenden.

So liege der Fall hier. Bei der auf der Straße befindlichen Ampel handele es sich um eine Fußgängerampel, die nicht den ein- und ausfahrenden Verkehr vom Parkplatz regelt. Vielmehr sei der Kläger über den abgesenkten Bordstein vom Parkplatz auf die bevorrechtigte Straße eingefahren. Es kann insoweit dahinstehen, ob der Verkehr auf der Straße M., wie der Kläger behauptet, tatsächlich durch Rotlicht gesperrt war. Denn das Vertrauen, dass Fahrzeuge an der Fußgängerampel anhalten, entbindet den Einfahrenden nicht von den erhöhten Sorgfaltspflichten des § 10.

Demgegenüber stehe ein Verstoß der Beklagten gegen § 37 Abs. 2 Nr. 1 StVO nicht fest. Das Landgericht hatte die Behauptung des Klägers, die Beklagte habe das rote Ampellicht missachtet, nicht als erwiesen angesehen. Letztlich könne es sogar dahinstehen, ob die Ampel tatsächlich für die Beklagte rot gewesen sei, denn die Zeichengebung an einer Fußgängerfurt diene nur dem Schutz des dortigen Fußgängerverkehrs, nicht aber der Regelung der Verkehrsverhältnisse an der Einmündung der Straße. Es würde mithin jedenfalls an einem unfallursächlichen Verkehrsverstoß mangeln.