Immer wieder gibt es Meinungsverschiedenheiten zwischen Handelsvertreter und vertretenem Unternehmen, welche Unterlagen dem Handelsvertreter kostenfrei für seine Vertriebstätigkeit zur Verfügung zu stellen sind. Dies zeigt sich insbesondere auch an den zahlreichen Gerichtsentscheidungen, die in den letzten Jahren und Monaten zu diesem Thema ergangen sind.

Laut der grundlegenden Norm, dem § 86a Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB), hat der Unternehmer dem Handelsvertreter die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Hiervon abweichende Vereinbarungen sind gemäß einem der folgenden Absätze unwirksam. In § 86a Abs. 1 HGB werden beispielhaft als zur Ausübung der Tätigkeit erforderliche Unterlagen des Handelsvertreters genannt, Muster, Zeichnungen, Preislisten, Werbedrucksachen und Geschäftsbedingungen.

Einig sind sich Literatur und Rechtsprechung insoweit, dass der Wortlaut des § 86a Abs. 1 HGB nicht als abschließend zu verstehen ist. Denn der Begriff der Unterlagen ist nach allgemeiner Auffassung weit zu verstehen, da die im Gesetz vorgenommene Aufzählung ausdrücklich beispielhaft und nicht als abschließend zu verstehen ist.

Welche konkreten Unterlagen zur Ausübung der Handelsvertretertätigkeit erforderlich sind, hängt von den Umständen des Einzelfalles, insbesondere vom Gegenstand der Absatzmittlung und dem Tätigkeitsfeld des Handelsvertreters ab. Auch branchenbedingte Verhältnisse können eine gewisse Rolle spielen.

Die erforderlichen Unterlagen

Der Unterlagenbegriff umfasst jedoch nur solche Dinge, die für die Akquisition der den Gegenstand des Handelsvertretervertrages bildenden Verträge erforderlich sind. Insoweit ist die Bestimmung  nach herrschender Meinung restriktiv auszulegen. Welche Unterlagen im Einzelnen erforderlich sind, richtet sich nach der konkreten Aufgabenstellung des Handelsvertreters. Der Bundesgerichtshof hat bereits vor einigen Jahren zu der Frage der Reichweite des Begriffs der „erforderlichen Unterlagen“ i. S. d. § 86a HGB umfassend Stellung genommen.

In dem dieser Entscheidung (Urt. v. 4.5.2011 VIII ZR 10/10 – HVR Nr. 1337) zugrundeliegenden Sachverhalt bot der Unternehmer seinen Handelsvertretern kostenpflichtige Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen an. Zur Unterstützung ihrer Vermittlungstätigkeit konnten die Handelsvertreter vom Unternehmer verschiedene mit dessen Logo versehene Artikel wie Briefpapier, Visitenkarten, Datenerhebungsbögen und Werbegeschenke aller Art gegen Entgelt erwerben. Das gleiche galt für eine vom Unternehmer herausgegebene Zeitschrift, die die Handelsvertreter gegen Entgelt für die von ihnen betreuten Kunden bestellen konnten. Die durch die Inanspruchnahme des Handelsvertreters entstandenen Kosten hatte der Unternehmer vereinbarungsgemäß vom Provisionskonto des Handelsvertreters abgezogen. Aufgrund eines zwischen den Parteien gesondert abgeschlossenen Software-Nutzungsvertrages wurde dem klagenden Handelsvertreter zudem für die Nutzung der Vertriebssoftware des Unternehmers ein monatliches Entgelt berechnet.

Der Bundesgerichtshof wog zunächst die beiden sich gegenüberstehenden Ansichten bezüglich der Auslegung des Begriffs der „erforderlichen Unterlagen“ ab. Nach einer verbreiteten Meinung, der auch das Berufungsgericht gefolgt war, seien von der Überlassungspflicht nicht nur unverzichtbare Hilfsmittel erfasst. Erforderlich im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB seien darüber hinaus auch die Hilfsmittel, die der Handelsvertreter aus seiner Sicht mit guten Gründen für den Erfolg seiner Tätigkeit für notwendig erachte. Insbesondere müssten umfassendes Werbematerial und die die konkrete Vertriebstätigkeit im Einzelfall betreffende Software kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Teilweise würden auch Kundenzeitschriften und produktunspezifische Werbemittel wie Aufkleber und mit dem Logo des Unternehmers versehene Kleidung als gemäß § 86a Abs. 1 HGB „erforderliche“ und deshalb kostenlos zu überlassende Unterlagen eingeordnet.

Die Gegenansicht hingegen befürwortete eine restriktive Auslegung und verlangte, dass die Unterlagen für die spezifische Anpreisung der Ware unerlässlich sein müssten. Der Bundesgerichtshof entschied sich ausdrücklich für die zuletzt genannte Auffassung. Zu den gemäß § 86a Abs. 1 HGB kostenlos vom Unternehmer zur Verfügung zu stellenden Unterlagen gehörten nur solche Hilfsmittel, die der Handelsvertreter spezifisch aus der Sphäre des Unternehmers benötige, um seine Tätigkeit überhaupt ausüben zu können.

Der Bundesgerichtshof stützte sich dabei insbesondere auf die folgenden Erwägungen:

Der Wortlaut des § 86a Abs. 1 HGB spreche dafür, dass der Handelsvertreter nur solche Unterlagen kostenlos beanspruchen könne, auf die er zur Vermittlung oder zum Abschluss der den Gegenstand des Handelsvertretervertrages bildenden Verträge angewiesen sei. Auch die in der Vorschrift aufgeführten Beispiele stützten eine solche Auslegung, denn es handelt sich jeweils um Unterlagen, die einen sehr engen Bezug zu dem vertriebenen Produkt hätten und ohne die eine erfolgreiche Vermittlung schlechthin nicht möglich sei. Auch die Stellung des Handelsvertreters als selbständiger Unternehmer lege eine enge Auslegung nahe. Denn gemäß § 87d HGB habe der Handelsvertreter die in seinem regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstehenden Aufwendungen selbst zu tragen. Hierzu gehörten in jedem Fall die eigene Büroausstattung und alle sonstigen Kosten des eigenen Betriebs und der Repräsentation gegenüber den Kunden.

Dem folgend gelangte der Bundesgerichtshof zur Einschätzung, dass weder die der Büroausstattung des Handelsvertreters zuzuordnenden Unterlagen wie Briefpapier, Visitenkarten und Erhebungsbögen, auch wenn diese Artikel mit dem Logo der Beklagten versehen waren, noch Werbegeschenke (sog. „Give-Aways“) als produktspezifische Hilfsmittel anzusehen seien. Die für die Tätigkeit des Handelsvertreter unverzichtbare Vertriebssoftware des Unternehmers habe dieser dem Handelsvertreter hingegen gemäß § 86a Abs. 1 HGB kostenlos zur Verfügung zu stellen. Die anderslautende Vergütungsvereinbarung zwischen Unternehmer und Handelsvertreter sei demnach unwirksam. Klarstellend entschied der Bundesgerichtshof zudem, dass Schulungen jedenfalls für die Vermittlung von allgemeinen Fachkenntnissen, das heißt nicht Produktinformationen, Geschäftsbedingungen oder ähnlichen Nachrichten über die zu vertreibenden Produkte, ebenso kostenpflichtig von dem Unternehmer angeboten werden durften.

Software bzw. EDV-Paket als häufiger Streitpunkt

Häufig stellen Unternehmer ihren Handelsvertretern Softwarekomponenten zur Verfügung, die ihnen den Zugang zum Datenbestand und damit zu den aktuellen Vertragsdaten seiner Kunden ermöglichen. Damit wird diese Software benötigt, um potentielle Kunden für die Produkte zu werben, weil ohne die Kenntnis des aktuellen Vertragsstandes nicht auf die Bedürfnisse des Kunden bzw. auf spezielle Anliegen eingegangen werden kann. In diesen Fällen handelt es sich somit um eine Unterlage nach §86a HGB, deren Nutzung kostenfrei zuzulassen ist.

Von Fall zu Fall unterschiedlich werden aber auch Software-Pakete überlassen, die ebenfalls Programme enthalten, die der Handelsvertreter für seine Vertriebstätigkeit – E-Mailverkehr etc.- nutzen kann. Hinzu kommt dann ggfs. auch noch EDV-Hardware, die der Handelsvertreter insgesamt für seine eigene Büroorganisation nutzen kann. Werden diese Funktionen ermöglicht oder unterstützt, gehören diese eher zum allgemeinen Geschäftsbedarf des Handelsvertreters, dessen Kosten er selbst zu tragen hat, so dass eine zumindest anteilige Kostentragung zulässig sein kann.

Handelt es sich allerdings um ein einheitliches, auf die Tätigkeit für den Unternehmer abgestimmtes Paket, ohne dass eine Handelsvertretertätigkeit für diesen Unternehmer nicht möglich ist, kann auch eine anteilige Kostentragung unzulässig sein. Etwa wenn kein Vertragsschluss/Vertrags-vermittlung ohne das EDV-System möglich ist und die Nutzung des EDV-System nur für die Tätigkeit für den betreffenden Unternehmer zulässig ist.

Die Musterkollektion als weiterer Fall aus der Praxis

Immer wieder gibt es auch heute noch Sachverhalte, in denen der Handelsvertreter zumindest zu einem gewissen Prozentsatz des Preises – vielfach auch erst nach Ende der Saison – die Musterkollektion – in der Bekleidungs-, Schmuck- oder Schuhbranche – käuflich vom vertretenen Unternehmer zu erwerben hat. Die Verpflichtung zur kostenfreien Überlassung der erforderlichen Musterkollektion ist hingegen als absolut zwingend anzusehen. Denn wenn der Unternehmer die Einlösung dieser Verpflichtung davon abhängig macht, dass der Handelsvertreter hierfür einen Kaufpreis zu entrichten hat, würde die Überlassung unter der Eingehung einer Bedingung erfolgen, die das Gesetz nicht vorsieht und die damit zwingende Verpflichtung beschränkt. Durch eine Beteiligung an den Kosten des Unternehmers für die Musterkollektion wäre der Handelsvertreter verpflichtet, auch im Fall erfolgloser Absatzbemühungen für die überlassenen Muster, ein Entgelt an den Unternehmer zu zahlen und so letztlich einen Teil des unternehmerischen Risiko des Prinzipals zu tragen. Dies stellt jedoch eine wirtschaftliche Benachteiligung des Handelsvertreters dar, die mit der Risikoverteilung im Handelsvertreterverhältnis nicht vereinbar ist. Alle Vereinbarungen, die die Entrichtung eines wie auch immer gearteten Kaufpreises vorsehen, gleich in welcher Höhe und mit welcher Fälligkeit, sind daher unwirksam.

Das wichtigste in Kürze:

  • Der Begriff der Unterlagen ist nach allgemeiner Auffassung weit zu verstehen.
  • Welche Unterlagen erforderlich sind, hängt von den Umständen des Einzelfalles, insbesondere vom Gegenstand der Absatzmittlung und dem Tätigkeitsfeld des Handelsvertreters ab.
  • Kostenlos zur Verfügung zu stellen, sind nur solche Hilfsmittel/Unterlagen, die der Handelsvertreter spezifisch aus der Sphäre des Unternehmers benötigt, um seine Tätigkeit überhaupt ausüben zu können.

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