Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ist in der Praxis ein oft unzureichend beachtetes und unterschätztes Regelungsfeld. Aufgrund ständiger Rechtsprechung hat die Beachtung des AGB-Rechtes sowohl bei der Formulierung von Handelsvertreterverträgen als auch bei Streitigkeiten aus Handelsvertreterverträgen inzwischen eine wichtige Rolle eingenommen. Dies insbesondere auch deshalb, da Handelsvertreterverträge entweder in der Form von Formularverträgen abgeschlossen werden oder nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) ihrem Inhalt nach als AGB anzusehen sind.
Hinter diesem Umstand verbirgt sich zudem ein nachvollziehbares Bedürfnis des vertretenen Unternehmers. Denn jeder Unternehmer, der ein Vertriebsnetz mit mehreren Handelsvertretern aufbaut bzw. unterhält, wird regelmäßig auf die Einheitlichkeit der ihnen gegenüber verwandten Verträge achten. Ein Aushandeln – Details hierzu später -, welches zur Einordnung als Individualabrede führt, fehlt demgemäß regelmäßig.
Das Vorliegen einer unwirksamen Vertragsklausel in derartigen Vertriebsverträgen kann dabei im Einzelfall zu erheblichen finanziellen Nachteilen sowohl auf der Seite des Unternehmers als auch der des Handelsvertreters führen. Folglich ist eine ständige Auseinandersetzung mit dem AGB-Recht, unabhängig von der jeweiligen Position im Vertriebssystem, dringend anzuraten.
Aus gleichen Gründen sollten Vertriebsverträge unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Entstehung regelmäßig anhand der neuesten Rechtsprechung überprüft werden, um unnötige Risiken zu vermeiden und eine sichere Grundlage für eine erfolgreiche wirtschaftliche Vertriebstätigkeit zu schaffen. Im Streitfall ist damit ebenfalls sichergestellt, dass eine rechtssichere Basis für die Abwicklung des Vertriebsverhältnisses vorhanden ist.
Nachfolgend zunächst die wesentlichen Aspekte des AGB-Rechts im Bereich des Vertriebsrechts:
Was sind AGB?
Gemäß § 305 Abs.1 S. 1 BGB sind AGB „für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (der sogenannte Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt“. Die genannten „Vertragsbedingungen“ sind insoweit alle Regelungen, die den Vertragsinhalt gestalten sollen. „Vorformuliert“ sind dabei solche Vertragsbedingungen, die für eine mehrfache Verwendung vorgesehen sind. Dabei kommt es ausdrücklich nicht darauf an, ob sie tatsächlich als AGB bezeichnet werden. AGB sind demnach nicht nur die klassischen „Allgemeinen Verkaufs- und Lieferbedingungen“, sondern jedwede Vertragsklausel, die zur mehrfachen Verwendung vorgesehen ist oder die im Sinne der ständigen Rechtsprechung des BGH nicht individuell ausgehandelt ist.
Lag nach älterer Rechtsprechung die untere Grenze für die „mehrfache Verwendungsabsicht“ bei einer dreifachen Verwendung, kann nach der nunmehr geltenden höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Vertragsklausel bereits dann AGB sein, wenn sie nur zur einfachen Verwendung vorgesehen ist, jedoch dem Gericht als typische AGB-Klausel bekannt ist. Für die weitere Voraussetzung des Vorliegens von AGB, nämlich des „Gestellt seins der Bedingungen“, hat die Rechtsprechung die Voraussetzungen mittlerweile so abgesenkt, dass dies regelmäßig vorliegen wird.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtsprechung ebenfalls davon ausgeht, dass es sich um AGB handelt, wenn nach dem äußeren Erscheinungsbild ein gedrucktes oder sonst wie vervielfältigtes Klausel- oder Vertragswerk vorliegt, mit der Folge, dass der Verwender (regelmäßig der vertretene Unternehmer) für ein Aushandeln im konkreten Fall beweispflichtig ist, was ohne eine entsprechende Dokumentation kaum nachzuweisen sein wird.
Auf der anderen Seite hat die ständige Rechtsprechung des BGH die Voraussetzungen für die Annahme eines „Aushandelns“ – mit der Folge, dass AGB-Recht keine Anwendung findet – stetig verschärft. War früher nur erforderlich, dass der Handelsvertreter die reale Möglichkeit hatte, auf die Gestaltung des Vertrages Einfluss zu nehmen und dass über die einzelnen Vertragsklauseln verhandelt wurde, fordert die Rechtsprechung mittlerweile hinzukommend, dass derjenige der das Vertragswerk oder die Vertragsklausel in die Verhandlung eingeführt hat, sich entweder davon überzeugt hat, dass die andere Partei deren Sinn erkannt hat oder aber diese über den Inhalt und die Tragweite der rechtlichen Regelungen belehrt hat. Da dieser Forderung in der Verhandlungsrealität kaum Folge geleistet wird, ist davon auszugehen, dass nahezu alle Vertragsklauseln in Vertriebsverträgen am AGB-Recht zu messen sind.
In der Vertriebspraxis stellen die Vertragswerke selbst und / oder etwaige Anlagen demgemäß regelmäßig AGB dar. Ein Individualvertrag im Sinne der mittlerweile geltenden Rechtsprechung ist kaum noch erreichbar. Im Ergebnis unterliegen daher Handelsvertreter- und Vertragshändlerverträge nahezu vollumfänglich dem AGB-Recht gemäß den einschlägigen Paragraphen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), den §§ 305 bis 310 BGB.
Inhaltskontrolle von Vertriebsverträgen nach AGB-Recht
In der Vertriebspraxis sind am Vertragsschluss regelmäßig Unternehmer im Sinne des § 14 BGB beteiligt. Im Verhältnis zwischen Unternehmern (B2B-Verkehr) ist vorrangiger Prüfungsmaßstab für die Frage, ob eine Vertragsklausel des Handelsvertretervertrages wirksam ist, die Vorschrift des § 307 BGB. Die in den §§ 308 und 309 BGB aufgelisteten Klausel Verbote finden im kaufmännischen Geschäftsverkehr unmittelbar keine Anwendung, liefern allerdings Anhaltspunkte für die Frage, ob die Tatbestandsmerkmale des § 307 BGB – der sogenannten Generalklausel – erfüllt sein können. Für die Annahme der Unternehmereigenschaft des Handelsvertreters genügt es im Übrigen, dass er diese durch den Vertragsschluss begründet.
Gemäß § 307 Abs.1 S. 1 BGB sind AGB-Vertragsklauseln unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. „Unangemessen“ ist eine Benachteiligung stets, wenn der Verwender der Vertragsklausel durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen.
Eine unangemessene Benachteiligung kann sich jedoch auch daraus ergeben, dass die Vertragsklausel nicht klar und verständlich ist, welches einen Verstoß gegen das sogenannte „Transparenzgebot“ – geregelt in § 307 Abs.1 S. 2 BGB – darstellt. Dieses beinhaltet, dass der Verwender der Vertragsklausel des Handelsvertretervertrages die Rechtsposition des Vertragspartners so klar und verständlich zu regeln hat, dass dieser ohne weiteres in die Lage versetzt wird, eine ihn benachteiligende Wirkung einer Vertragsklausel ohne die Einholung von Rechtsrat zu erkennen. Es genügt daher gerade nach der neuesten Rechtsprechung nicht, dass ein ausdrückliches Einverständnis des anderen Teils mit dem gesamten Vertragswerk oder Teilen davon vorliegt, und zwar auch dann nicht, nachdem auf die belastende Vertragsklausel hingewiesen wurde. So verlangt das Transparenzgebot z.B., dass eigenständige Regelungsbereiche in Verträgen nicht unter fremden Überschriften „versteckt“ werden, sondern mit einer eigenen, ausreichend aussagekräftigen Überschrift versehen werden. Aus Gründen des Transparenzgebotes sollten darüber hinaus Formulierungen wie „soweit gesetzlich zulässig“ oder „soweit sich aus zwingendem Recht nichts anderes ergibt“ vorsichtshalber vermieden werden, weil diese Formulierungen die Kenntnis der Gesetzeslage voraussetzen.
Schließlich liegt eine „unzulässige Benachteiligung“ des Vertragspartners gemäß § 307 Abs. 2 Nr.1 und 2 BGB dann vor, wenn die Vertragsklausel mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung von der der Vertrag abweicht, nicht zu vereinbaren ist, oder wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Handelsvertretervertrages ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszweckes dieses Vertriebsvertrages gefährdet ist.
Darüber hinaus darf eine Vertragsklausel nicht überraschend im Sinne des § 305 c BGB sein. Dabei gelten als überraschende Klauseln AGB-Vertragsbestimmungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages und/oder dem Gang der Vertragsverhandlungen so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Handelsvertretervertrages mit ihnen nicht zu rechnen braucht. Insoweit entfällt der Überraschungscharakter einer ungewöhnlichen Klausel nur dann, wenn die Vertragsklausel inhaltlich ohne weiteres verständlich und drucktechnisch so hervorgehoben ist, dass erwartet werden kann, der Vertragspartner werde von ihr Kenntnis nehmen. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Vertragspartner bei den Verhandlungen des Handelsvertretervertrages bereits ausdrücklich zum Ausdruck gebracht hat, die in der ungewöhnlichen Klausel geregelte Rechtsposition nicht einnehmen zu wollen.
Rechtliche Folgen von unwirksamen AGB-Klauseln in Handelsvertreterverträgen
Nicht jede unwirksame AGB-Klausel im Handelsvertretervertrag führt allerdings automatisch dazu, dass der Handelsvertretervertrag insgesamt unwirksam ist. Nicht zuletzt deshalb finden sich in Handelsvertreterverträgen in der Praxis häufig Vertragsklauseln, die den gesetzlichen Bestimmungen zuwiderlaufen und daher unwirksam sind. Zum Teil werden diese unwirksamen Vertragsklauseln bewusst eingesetzt, um wirtschaftliche oder auch nur taktische Vorteile zu erzielen. Mangels Wirksamkeit solcher Klauseln können sich die Verwender dieser Vertragsklauseln allerdings außerhalb eines „Abhängigkeitsverhältnisses“ nicht mit Erfolg darauf berufen. Diese Regelungen sind vielmehr unverbindlich, da sie kraft Gesetzes unwirksam sind und somit keine Rechtswirkung entfalten können, also auch dann nicht, wenn die andere Vertragspartei solche Vertragsklauseln unterschrieben hat.
In diesem Fall richtet sich der Inhalt des Vertrages nach den gesetzlichen Vorschriften (§ 306 Abs. 2 BGB). Grundsätzlich wirkt sich aber eine unwirksame Klausel nicht auf den restlichen Vertrag aus, dieser bleibt vielmehr im Übrigen wirksam. Nur im Einzelfall kann der gesamte Vertrag unwirksam sein, nämlich dann wenn das Festhalten am Vertrag für eine Vertragspartei absolut unzumutbar wäre. In der nächsten Ausgabe werden wir Ihnen problematische AGB-Klauseln in Handelsvertreterverträgen vorstellen.
CDH aktiver Mitstreiter in der Initiative pro AGB-Recht
Die vorstehenden Ausführungen verdeutlichen, wie wichtig das geltende AGB-Recht gerade für den Handelsvertreter ist. In den vergangenen Jahren und auch aktuell gab es immer wieder den Anlauf die Fortgeltung des AGB-Rechtes im B2B-Bereich aufzuheben bzw. stark einzuschränken. Die Initiative pro AGB-Recht besteht aus rund 40 Verbänden aus wichtigen Berufs- und Wirtschaftsbranchen. Gemeinsam mit diesen Verbänden setzt sich die CDH dafür ein, den wesentlichen Standortvorteil Deutschlands auch künftig zu sichern – faire Verträge im berechtigten Interesse aller beteiligten Vertragspartner. Das AGB-Recht verhindert unfaire Vertragsbedingungen zulasten des schwächeren Verhandlungspartners und schützt vor einseitigen, unangemessenen Benachteiligungen und Risikoübertragungen. Für die Fortgeltung des AGB-Rechtes wird sich die CDH auch weiterhin im Interesse aller Mitglieder einsetzen!
Die Beratung im Vertriebsrecht, insbesondere auch eine Überprüfung Ihrer Handelsvertreterverträge ist eine der wesentlichen Leistungen der CDH Organisation für Mitglieder.
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