Das Schicksal der Provisions- und Ausgleichsansprüche des Handelsvertreters bei Insolvenz des Herstellers
Die Corona-Krise hat zu spürbaren Einbrüchen in den nationalen und internationalen Handelsbeziehungen geführt. Auch vertretene Unternehmen können aufgrund Absatzproblemen in Liquiditätsschwierigkeiten geraten. Tritt im schlimmsten Fall die Insolvenz eines Unternehmens ein, stellen sich viele Handelsvertreter die Frage, ob oder welche Ansprüche Sie gegen das insolvente Unternehmen noch durchsetzen können.
Folgen für das Vertragsverhältnis
Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des vertretenen Unternehmers erlischt das Handelsvertretungsverhältnis gem. § 115 Insolvenzordnung (InsO) automatisch kraft Gesetzes, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Setzt der Handelsvertreter seine Tätigkeit mit Einverständnis des Insolvenzverwalters dennoch weiter fort, kommt ein neues Handelsvertretungsverhältnis zustande. Der bloße Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens genügt nicht.
Provisionsansprüche des Handelsvertreters
Wichtig ist für den Handelsvertreter zu wissen, ob seine Ansprüche Masseforderungen (§ 53 ff. InsO) oder lediglich einfache Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) sind. Während nämlich die Masseforderungen vorweg zu befriedigen sind, so dass der Gläubiger häufig mit einer ungeschmälerten Erfüllung rechnen kann, muss er sich bei einfachen Insolvenzforderungen mit der jeweiligen Quote zufrieden geben. Für die Zuordnung des Provisionsanspruchs muss untersucht werden, ob die Insolvenzeröffnung vor oder nach dem provisionspflichtigen Geschäftsabschluss oder aber zwischen Geschäftsabschluss und Geschäftsausführung erfolgt.
Insolvenzeröffnung vor Geschäftsabschluss:
Hat der Handelsvertreter ein Geschäft vermittelt und schließt der Insolvenzverwalter dieses erst nach Eröffnung der Insolvenz ab, erhält der Handelsvertreter einen Provisionsanspruch, der gem. § 55 InsO als Masseforderung einzustufen ist. Der Provisionsanspruch stellt auch dann eine Masseforderung dar, wenn der Handelsvertreter im Falle der Fortsetzung seiner Tätigkeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiterhin Geschäfte vermittelt, die der Insolvenzverwalter abschließt. Unterbleibt jedoch infolge der Insolvenzeröffnung der Abschluss der vom Handelsvertreter angebahnten Geschäfte, steht ihm kein Provisionsanspruch zu.
Insolvenzeröffnung zwischen Geschäftsabschluss und Geschäftsausführung:
Nach § 103 InsO steht dem Insolvenzverwalter ein Wahlrecht zu, das abgeschlossene Geschäft auszuführen oder hierauf zu verzichten. Lehnt er die Erfüllung des Geschäfts ab, erhält der Handelsvertreter einen Provisionsanspruch als einfache Insolvenzforderung, wenn der vertretene Unternehmer die Insolvenz zu vertreten hat (§ 87 a Abs. 3 HGB). Führt der Insolvenzverwalter das Geschäft aus, steht dem Handelsvertreter ein Provisionsanspruch zu, den die Rechtsprechung ebenfalls nur als einfache Insolvenzforderung ansieht.
Insolvenzeröffnung nach Geschäftsausführung:
Bei den Provisionsansprüchen, die bereits vor Insolvenzeröffnung durch den Abschluss und die Erfüllung des Geschäfts entstanden sind, handelt es sich wiederum lediglich um einfache Insolvenzforderungen
Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters
Ein Ausgleichsanspruch wird im Falle der Insolvenz des vertretenen Unternehmens regelmäßig nicht entstehen, da § 89 b HGB für die Ausgleichsberechtigung des Handelsvertreters u.a. voraussetzt, dass der vertretene Unternehmer auch nach der Vertragsbeendigung noch erhebliche Vorteile aus den vom Handelsvertreter geworbenen Geschäftsbeziehungen hat. Durch die Insolvenz kann der vertretene Unternehmer diese Geschäftsverbindungen aber meist nicht weiter nutzen.
Ein Ausgleichsanspruch kann deshalb allenfalls entstehen, wenn der Insolvenzverwalter das Unternehmen veräußert und sich im Veräußerungserlös eine Zahlung für den vom Handelsvertreter geschaffenen Kundenstamm wiederfindet. Soweit danach ein Ausgleichsanspruch entsteht, bildet dieser eine einfache Insolvenzforderung.
Zu beachten ist schließlich die Ausschlussfrist von einem Jahr, in der der Handelsvertreter seinen Ausgleich geltend gemacht haben muss. Diese Ausschlussfrist beginnt mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens, da zu diesem Zeitpunkt das Handelsvertretungsverhältnis beendet wird. Dies gilt auch dann, wenn der Handelsvertreter mit Einverständnis des Insolvenzverwalters seine Tätigkeit weiter fortsetzt.
Wegen der zahlreichen, sehr komplexen Rechtsfragen, die mit der Insolvenz des vertretenen Unternehmers oder der eigenen Insolvenz auftreten, ist CDH-Mitgliedern immer zu empfehlen, die Rechtsberatung ihres jeweiligen CDH-Landesverbandes in Anspruch zu nehmen.