Derzeit steht die Neufassung der europäischen Produkthaftungsrichtlinie kurz vor der Verabschiedung. Die größte Änderung besteht in der Erweiterung der Produkthaftung auf digitale und KI-gestützte Produkte. Aber auch Haftungsausschlüsse werden weiter eingeschränkt und der Schadensbegriff ausgeweitet. Des Weiteren soll eine Pflicht zur Offenlegung von Beweismitteln kommen, was dem Verbraucher den Beweis eines Schadens durch das Produkt erleichtern soll. Diese aktuellen Geschehnisse nehmen wir zum Anlass, das Thema einer möglichen Produkthaftung auch für Handelsvertreter zu behandeln.

Der Handelsvertreter klassischen Zuschnitts – d.h. der reine Warenvermittler – ist nicht von der Produkthaftung und staatlicher Produktüberwachung betroffen. Vertritt beispielsweise die Handelsvertretung einen Hersteller aus einem Drittstaat auf dem deutschen/ europäischen Markt und verkauft der ausländische Hersteller seine Ware direkt an den deutschen Kunden (direkter Import), gilt der deutsche/europäische Kunde als Importeur der Ware mit der Folge, dass nicht die Handelsvertretung, sondern der Kunde für alle entstandenen Schäden haftet.

Das ändert sich allerdings schlagartig, wenn der Handelsvertreter sein Geschäftsmodell verändert und entweder selbst zum Importeur außereuropäischer Ware (EU-Importeur) oder gar zum sogenannten Quasi-Hersteller wird. Dies kann in bestimmten Branchen durchaus eine intelligente Erweiterung der geschäftlichen Vertriebsmöglichkeiten sein, birgt aber auch Risiken denen sich der Betreffende in jedem Fall bewusst sein sollte.

Der Begriff des Quasi-Herstellers

Als Quasi-Hersteller bezeichnet das Recht denjenigen, der fremde Ware unter eigenem Markenzeichen (Branding oder auch Eigenmarken-Labelling) in den Verkehr bringt und sich so als Hersteller ausgibt. De facto produziert hat die Ware allerdings ein anderer. Aber für den Markt ist das nicht sichtbar und der Käufer hält den „Händler“ mit seinem Markenzeichen nunmehr für den Hersteller. Das Recht wird in vielen Gesetzen in einem solchen Fall sehr deutlich: Wer wie ein Hersteller auftritt, wird auch wie ein Hersteller behandelt!

Nicht wenige Handelsvertreter haben ihre hervorragenden internationalen Kontakte dazu genutzt, einen eigenen Vertrieb unter eigenem Label aufzuziehen – und damit sind sie sowohl für die Produkthaftung wie auch für die behördliche Produktsicherheitsüberwachung auf einmal zum Ansprechpartner geworden. Oftmals ist ihnen dieses aber gar nicht bewusst.

Der EU-Importeur

 Ware, die von außerhalb des europäischen Wirtschaftsraums kommt, sucht gewissermaßen

innerhalb der EU einen haftungsrechtlichen Verantwortlichen. Dies kann nur der EU-Importeur sein, also derjenige, der die Ware von außerhalb der EU in den EU-Raum verbringt. Für die rechtliche Einschlägigkeit ist in diesem Fall nicht nötig, dass er ein entsprechendes Label anbringt – bereits die Tatsache der faktischen Importeureigenschaft für außereuropäische Ware reicht, um ihn für bestimmte Gesetze (z.B. das Produkthaftungsgesetz oder auch das Produktsicherheitsgesetz) als Ansprechpartner auszuweisen. Es bleibt zwar produkthaftungsrechtlich auch und ergänzend bei der Haftung des echten außereuropäischen Herstellers; aber der Importeur ist so EU-rechtlich ebenfalls in den haftungsrechtlichen Fokus gerückt.

Das Haftungsrisiko

 Auch der echte Hersteller, der „manufacturer“, mit Sitz im außereuropäischen Ausland haftet. Es kann allerdings durchaus komplizierter sein, ihn zu verklagen, sei es bereits die Klage im Ausland zuzustellen oder selbst bei einem positiven Gerichtsurteil aus diesem Urteil dann im Ausland zu vollstrecken. Abgesehen davon gilt beim Quasi-Hersteller zusätzlich, dass der Kunde bzw. geschädigte Nutzer den echten Hersteller am und auf dem Produkt gar nicht erkennen kann, sondern nur den Quasi-Hersteller sieht. Somit wird er regelmäßig auch den Quasi-Hersteller verklagen. Dieser Quasi-Hersteller ist dann gut beraten, wenn er in seinen internen Ankaufsverträgen mit dem echten Hersteller eine im Detail saubere und vernünftige Regressmöglichkeit für etwaige Schadensersatzzahlungen vereinbart hat. Denn wenn auch der Quasi-Hersteller nach außen haftet, muss er natürlich dringend dafür gewappnet sein, dass er diese Zahlungen im Innenverhältnis zum echten Hersteller weitergeben kann.

Die Haftung in ihrem größten Schreckensbild ist immer eine Haftung für körperliche

Schäden von Produktnutzern, also Körperverletzungen oder im allerschlimmsten Fall tödliche Verletzungen. Aber auch Sachschäden können ganz gravierende Dimensionen erreichen, wenn etwa B2B-Equipment versagt und fremde Gerätschaften dadurch beschädigt werden.

Der nur sehr eingeschränkt mögliche Haftungsausschluss

Zu betonen ist zunächst, dass eine Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz unabhängig von vertraglichen Verbindungen zu dem geschädigten Endverbraucher greift. Dieser Haftung kann sich nicht durch vertragliche Vereinbarung entzogen werden. In der vertraglichen Haftung – etwa aus einem Kaufvertrag – besteht natürlich für die

Regelungsmöglichkeiten zwischen den Vertragspartnern in der Lieferkette ein breiter Spielraum zur Verfügung. Klug ist, wer hier vorausschauend seine vertraglichen Klauseln auch für den Fall prüft, dass er sie wirklich einmal anwenden muss. Die Produkthaftung kann dagegen – wie bereits festgestellt – nicht vertraglich ausgeschlossen werden, denn sie steht strikt im Gesetz: Das „Opfer“ hat ja mit seinem „Schädiger“ vorher nie einen Vertrag geschlossen, sodass sich der Produkthaftungsanspruch schlicht so gut, wie er laut Gesetz besteht, dem tatsächlichen Opfer zur Verfügung steht. Hier lässt sich mit Verträgen wenig einfangen, sondern nur mit tadellosen Produkten. Das heißt aber nicht, dass nicht in die vertraglichen Detailregelungen allergrößte Sorgfalt gesteckt werden sollte – denn ein löchriger Vertrag reißt ja selbst im Binnenverhältnis zwischen Verkäufer und Käufer unnötige Haftungsrisiken auf.

Ganz wichtig für die Quasi-Hersteller ist, dass sie die mit eigenem Label gebrandete Ware nicht nur kaufmännisch und in ihren Handelsperspektiven gut verstehen, sondern auch wissen, wie diese Ware juristisch einzuordnen ist. Es gilt also für den Quasi-Hersteller (wie übrigens auch für den echten Hersteller), sehr genau identifiziert zu haben, welche gesetzlichen Vorschriften gelten. Handelt es sich bei dem vermeintlich harmlosen Gerät vielleicht im Rechtsinne auch um ein Medizinprodukt? Gelten möglicherweise Sicherheitsvorschriften aus der Druckgeräterichtlinie, der Produktsicherheitsrichtlinie oder  der europäischen Maschinenrichtlinie?

Wer hier nicht mit einer gewissen Distanz das Produkt auf seine rechtliche „Eigenschaften“ durchschaut, wird weder nach außen wissen, welchen gesetzlichen Regelungen er als Quasi-Hersteller unterliegt, noch nach innen seinem zuliefernden Hersteller die richtigen Fragen stellen und vertraglichen Liefervorgaben bestimmen können. Damit entstehende Risiken bedingen ebenfalls, dass sich diese „Ex-Handelsvertreter“ nunmehr auch wie Hersteller versichern müssen. Umgekehrt gilt aber auch: Wer sich hier richtig aufgestellt hat, kann sich endlich auf das konzentrieren, was er am besten kann, nämlich: Mit Ware erfolgreich und durchaus gewinnbringend handeln!

Weitere Informationen zum gesamten Thema enthält das CDH-Merkblatt mit dem Titel „Produkthaftung im internationalen Warenverkehr“, welches in der Infothek Merkblätter für CDH-Mitglieder unter nachstehendem Link zum Download bereit steht: https://cdh.de/services/infothek/merkblaetter/

Das Wichtigste in Kürze:

  • Der Handelsvertreter als reiner Warenvermittler ist nicht von einer möglichen Produkthaftung betroffen.
  • Das ändert sich allerdings dann, wenn der Handelsvertreter sein Geschäftsmodell verändert und entweder selbst zum Importeur außereuropäischer Ware (EU-Importeur) oder gar zum sogenannten Quasi-Hersteller wird.
  • Eine Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz kann gegenüber dem geschädigten „Endverbraucher“ nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt werden.