Gerade in Zeiten wie diesen stellt sich nicht selten die Frage, ob der Kunde einerseits und der vertretene Unternehmer andererseits für den Fall, dass die Bemühungen des Handelsvertreters Früchte tragen und es zum Geschäftsabschluss kommt, überhaupt bezahlen können. Unternehmer schreiben schwer einbringliche Forderungen in der Praxis bisweilen ab, ohne die Anforderungen des Handelsvertreterrechts, insbesondere die Pflicht zur Provisionszahlung, zu beachten.
Denn ist der Kunde im Zahlungsrückstand, ist zu prüfen, welche Schritte der vertretene Unternehmer, der das vom Handelsvertreter vermittelte Geschäft angenommen und ausgeführt hat, gegen den säumigen Kunden einleiten muss. Laut der maßgeblichen Vorschrift im Handelsvertreterrecht, dem § 87a Abs. 2 HGB, entfällt der Anspruch auf Provision, wenn feststeht das der Kunde nicht leistet. Reicht es dafür etwa bereits aus, dass der vertretene Unternehmer mehrere Mahnungen an den Kunden verschickt, um dann zu erklären, dass der Kunde nicht bezahlt hat oder sind weitere Schritte erforderlich? Was gilt, wenn der Unternehmer mit dem Kunden einen Vergleich abschließt? Wie weit bewirkt eine Zahlung durch eine Versicherung, dass der Handelsvertreter doch noch zu seiner Provision kommt?
Zahlungsrückstand des Kunden – was der Unternehmer unternehmen muss
Nach den gesetzlichen Regelungen muss der Unternehmer, falls es zu Zahlungsrückständen
eines Kunden kommt, seinen Anspruch nachdrücklich verfolgen. Dies umfasst nicht, wie in der Praxis oft seitens der Unternehmen irrtümlich angenommen, nur die Versendung von Mahnschreiben. Denn es reicht keinesfalls aus, dass der Unternehmer subjektiv die Auffassung vertritt, der Kunde werde nicht leisten. Vielmehr muss die Feststellung, dass der Kunde nicht leistet, nach objektiven Gesichtspunkten getroffen werden. Nach einer angemessenen Frist – eine feste zeitliche Grenze gibt es dafür allerdings nicht – muss der Unternehmer Klage gegen den Schuldner erheben und, falls erforderlich, auch ein Vollstreckungsverfahren durchführen, will er die Provision des Handelsvertreters nicht bezahlen. Der Unternehmer kann dem Handelsvertreter nicht von vornherein erklären, es sei aus Kostengründen nicht sinnvoll, die Forderung gegen den Kunden einzuklagen. Ebenso wenig, dass der Handelsvertreter ja „selbst schuld“ sei, weil er so schlechte Kunden gebracht hätte. Die Anforderungen an den Unternehmer nach dem zwingenden Handelsvertreterrecht – § 87a Abs. 2 HGB – sind eindeutig. Der Unternehmer hat sämtliche in der jeweiligen Situation vernünftig und angemessen erscheinenden Schritte, wie eben auch eine Klage und anschließende Vollstreckungsmaßnahmen, einzuleiten – oder die Provision an den Handelsvertreter gleichwohl bezahlen. Lediglich wenn der Kunde offenkundig insolvent ist oder sonst bekannt ist, dass eine Forderungsbeitreibung sinnlos ist, z.B. eine abgegebene eidesstattliche Versicherung oder Medienberichterstattung über eine drohende Insolvenz, bei Hinweisen auf zahlreiche, bereits anhängige erfolglose Vollstreckungsverfahren, entsprechende negative Auskünfte von Kreditauskunfteien entlastet dies den Unternehmer. Nur bei offenkundiger Aussichtslosigkeit eines Forderungseinzuges entfällt der Provisionsanspruch, ohne dass der Unternehmer zuvor gerichtliche Schritte einleiten muss.
Nachträglicher Rabatt, Kostenbeteiligung und Vergleich
Will der Unternehmer den Kunden nicht gerichtlich belangen etwa wegen ansonsten guter Beziehungen zu einer Unternehmensgruppe, einer persönlichen Bekanntschaft o.a., steht ihm dies natürlich frei – nur muss er dann die Provision ordentlich abrechnen und bezahlen. Dies gilt auch dann, wenn der Unternehmer dem Kunden aufgrund dessen Zahlungsschwierigkeiten nachträglich einen Rabatt einräumt.
Leitet der Unternehmer jedoch gerichtliche Schritte ein, stellt sich die Frage, ob der Handelsvertreter an den Kosten des Gerichts- und Vollstreckungsverfahrens beteiligt werden darf. Nach mittlerweile herrschender Meinung ist der Unternehmer nicht berechtigt, den Provisionsanspruch um Kosten zu kürzen, die entstanden sind, um den Kunden schließlich zur Zahlung zu veranlassen. Ein Sonderfall liegt vor, wenn sich der Unternehmer mit dem Kunden im Streit befindet. Wenn also der Kunde z.B. € 20.000 zu bezahlen hätte und der Unternehmer vergleicht sich mit ihm auf eine Pauschalzahlung von € 12.000, so stellt sich die Frage, ob der Handelsvertreter in diesen Fällen nur eine entsprechend verringerte Provision fordern darf. In diesen Fällen wird es darauf ankommen, ob der Unternehmer seinen Anspruch gegen den Kunden ohnehin hätte durchsetzen können bzw. ob Umstände eine vollständige Zahlung verhindert haben, die vom Unternehmer zu vertreten sind (wie Gewährleistungsansprüche des Kunden, Schadenersatz wegen Verzug, mangelnder rechtlicher Absicherung). In diesen Fällen wird es beim vollen Provisionsanspruch bleiben. Liegen derartige Umstände allerdings nicht vor, berechnet sich die dem Handelsvertreter zustehende Provision aus dem Betrag, der dem Unternehmer aufgrund eines abgeschlossenen gerichtlichen Vergleichs zufließt.
Zahlung durch eine Versicherung
Die Leistung aus einer Versicherung des Kunden, die dem vertretenen Unternehmer statt der vom Kunden geschuldeten Zahlung zufließt, löst ebenso einen Provisionsanspruch des Handelsvertreters aus. In einem derartigen Fall, deckt die Versicherungsleitung das ursprüngliche Erfüllungsinteresse und fließt dem Unternehmer als sog. Surrogat zu, § 87a Abs. 2 HGB ist nicht anwendbar. Problematisch wird die Situation, wenn der Unternehmer, weil der Kunde nicht leistet, aufgrund eigener Aufwendungen eine den Nichterfüllungsschaden deckenden Ersatzleistung erhält, z.B. durch eine von ihm selbst abgeschlossene Warenkreditversicherung für die er selbst die Prämie gezahlt hat. Auch in diesem Fall, obwohl an sich kein Surrogat für die Erfüllung der Leistungsverpflichtung des Kunden gegeben ist, geht die wohl derzeit herrschende Meinung davon aus, dass der Provisionsanspruch gegeben ist – entsprechend dem Gedanken, dass eigene Kosten des Unternehmers, den Kunden zur Zahlung zu veranlassen, den Provisionsanspruch nicht kürzen können.
Abweichende vertragliche Abreden
Bisweilen ist in – von der Unternehmerseite erstellten – Handelsvertreterverträgen davon die Rede, dass der Unternehmer nicht zur Durchführung eines Klageverfahrens bzw. zu einem Vollstreckungsantrag gegen säumige Kunden verpflichtet ist. Dies trifft tatsächlich auch zu, nur muss er dann zwingend die Provision bezahlen, wenn er so verfährt. Insoweit lässt sich auch nichts anderes im Handelsvertretervertrag oder sonst vereinbaren, weil es sich insoweit um zwingende gesetzliche Bestimmungen – § 87a Abs. 2 i.V.m. § 87a Abs. 5 HGB – handelt. Die Unternehmer verstehen den Passus in den von ihnen verwendeten Verträgen aber selbstredend so, dass dann auch keine Provision geschuldet wäre. Eine diesbezügliche Diskussion bei der Vertragsverhandlung ist aufgrund der geltenden Bestimmungen eigentlich entbehrlich, da es sich, wie gesagt, um zwingendes Recht handelt. Gegenteilige Regelungen im Vertrag sind von vorneherein unwirksam. Der Unternehmer kann seine Provisionszahlungspflicht insoweit nicht einschränken.
Inkassovollmacht und Haftung
Der Handelsvertreter ist ohne Bevollmächtigung durch den Unternehmer nicht befugt, Zahlungen für diesen anzunehmen. Hat er diese Inkassovollmacht jedoch und macht von ihr
Gebrauch, kann dies den Zahlungsfluss vom Kunden an den Unternehmer bisweilen vereinfachen. Selbstverständlich hat der Handelsvertreter die Verantwortung dafür, dass vereinnahmte Beträge beim Unternehmern abgeliefert bzw. an diesen überwiesen werden. Der Handelsvertreter hat aber die Möglichkeit, gegen den Anspruch des Unternehmers auf den vereinnahmten Betrag mit eigenen Provisions- oder sonstigen Forderungen aufzurechnen. Bisweilen ist in Handelsvertreterverträgen ein Aufrechnungsverbot enthalten. Dieses ist wirksam. Darin liegt keine sittenwidrige Beeinträchtigung der Rechte des Handelsvertreters. Fehlt aber eine solche vertragliche Regelung, ist der Handelsvertreter zur Aufrechnung mit eigenen Forderungen gegen den vereinnahmten Betrag berechtigt.
Das Wichtigste in Kürze:
- Die Feststellung, dass der Kunde nicht leistet, muss nach objektiven Gesichtspunkten getroffen werden.
- Der Unternehmer hat sämtliche in der jeweiligen Situation vernünftig und angemessen erscheinenden Schritte, wie eben auch eine Klage und anschließende Vollstreckungsmaßnahmen, einzuleiten.
- Der Unternehmer ist nicht berechtigt, den Provisionsanspruch um Kosten zu kürzen, die entstanden sind, um den Kunden schließlich zur Zahlung zu veranlassen.
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