Ein Reisebüro, das als Handelsvertreter die Stornoabwehr für den Reiseveranstalter übernimmt, erbringt aufgrund seiner weisungsgebundenen Interessenwahrnehmungspflicht nach § 86 Abs. 1 Hs. 2 HGB nicht selbständig eine außergerichtliche Rechtsdienstleistung, so dass es hierfür nicht dem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt nach § 3 RDG unterliegt.

 OLG Dresden, Urteil vom 26. April 2022 Aktenzeichen 14 U 2489/21

 Das Verbot außergerichtlicher Rechtsberatung setze voraus, dass die außergerichtliche Rechtsdienstleistung eigenverantwortlich und frei von Weisungsbefugnissen Dritter erbracht werde. Das Reisebüro als Handelsvertreter sei jedoch nicht weisungsfrei – so die Richter des 14. Senates des OLG Dresden, sondern unterliege nach § 86 Abs. 1 HGB einer wichtigen Nebenpflicht, nämlich die Interessen des Unternehmers zu wahren. Daraus ergebe sich eine Weisungsfolgepflicht. Sachgerechte Weisungen müsse der Handelsvertreter sogar auch dann befolgen, wenn sie im Ergebnis zu einer Beeinträchtigung seiner Provisionsinteressen führen könnten. Damit bestehe ein auftragsrechtliches Weisungsrecht, das über das arbeitsrechtliche hinausgehe. So könne der Unternehmer die Stornoabwehr dem Handelsvertreter überlassen.

Ergreife der Handelsvertreter Maßnahmen der Stornoabwehr, so werde er damit primär in fremdem Interesse tätig. Bei der Beantwortung einer Rücktrittsanfrage handele es sich um eine fremde Angelegenheit. Ob die Tätigkeit sich auf eine eigene oder auf eine fremde Angelegenheit beziehe, richte sich danach, in wessen wirtschaftlichem Interesse die Besorgung der Angelegenheit liege. Werde der Handelnde primär im fremden wirtschaftlichen Interesse tätig und verfolge lediglich mittelbar ein wirtschaftliches Eigeninteresse, liege eine fremde Rechtsangelegenheit vor. Werde der Handelnde primär im fremden wirtschaftlichen Interesse tätig und verfolge lediglich mittelbar ein wirtschaftliches Eigeninteresse, liege eine fremde Rechtsangelegenheit vor. Das sei bei Maßnahmen der Stornoabwehr der Fall. Die Nachbearbeitung von Verträgen, die von einer Stornierung bedroht seien, mit dem Ziel der Erfüllung der Vertragspflichten obliege dem Unternehmer. Dieser könne wählen, ob er dem Handelsvertreter die Möglichkeit zur Nachbearbeitung überlasse, denn dieser könne damit immerhin seinen Provisionsanspruch retten. Hierbei handele es sich aber nur um ein mittelbares Eigeninteresse gemessen an dem Anspruch auf Zahlung des Reisepreises, den die Nachbearbeitung primär verfolge und wodurch sie in erster Linie dem wirtschaftlichen Interesse des Reiseveranstalters diene.

Es komme auch nicht darauf an, ob der Unternehmer tatsächlich sachgerechte Weisungen zu einzelnen Stornoverlangen erteilt habe, da er sie jedenfalls hätte erteilen dürfen. Nicht erst eine Weisung zu einer konkreten Stornoanfrage, sondern bereits die Weisungsabhängigkeit bei der gebotenen Wahrnehmung der Interessen des Reiseveranstalters führe dazu, dass das Reisebüro die Auskunft zu einer Stornoanfrage nicht selbständig im Sinne von § 3 RDG erteile. Die Stornoabwehr durch den Handelsvertreter bewege sich damit in dem gesetzlich zulässigen, durch § 86 Abs. 1 HGB eröffneten Bereich seiner weisungsgebundenen Interessenwahrnehmungspflicht.

 

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