Eine Gerichtsstandsvereinbarung kann bereits wirksam in einem Vertrag getroffen werden, der ein Handelsgewerbe erst begründet, für das ein in kaufmännischer Art und nach kaufmännischem Umfang eingerichteter Gewerbebetrieb erforderlich ist. Es ist nicht erforderlich, dass die Partei beim Abschluss des Gründungsvertrages und damit der Gerichtsstandsvereinbarung bereits Kaufmann gewesen ist.

KG Berlin, Urteil vom 24. Mai 2023 – 26 U 78/21

 Gem. § 38 Abs. 1 ZPO wird ein an sich unzuständiges Gericht des ersten Rechtszuges durch eine ausdrückliche Vereinbarung der Parteien zuständig, wenn die Vertragsparteien Kaufleute sind. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Kaufmannseigenschaft ist nach einheitlicher Auffassung der Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung. Entscheidend ist daher, ob bei Abschluss der Vereinbarung das Handelsgewerbe bereits aufgenommen sein muss oder ob die Kaufmannseigenschaft auch schon für den – die gewerbliche Tätigkeit begründenden – Vertrag bzw. für im Gründungsstadium abgeschlossene Verträge, die auf ein kaufmännisches Unternehmen abzielen, angenommen werden kann. Zu dieser Frage werden unterschiedliche Auffassungen vertreten, ohne dass jedoch in der obergerichtlichen Rechtsprechung abweichende Entscheidungen existieren.

Nach einer in der Kommentar-Literatur vertretenen Auffassung müssen die Parteien bei Abschluss der Vereinbarung „dem prorogationsbefugten Personenkreis angehört haben“. Das Handelsgewerbe (die gewerbliche Tätigkeit) müsse bei Abschluss bereits aufgenommen sein; eine bloße Vorbereitung im Rahmen der Existenzgründung genüge nicht.

Nach der Gegenauffassung reiche es für im Gründungsstadium abgeschlossene Verträge aus, dass ein kaufmännisches Unternehmen gegründet werde und ein in kaufmännischer Art und nach kaufmännischem Umfang eingerichteter Gewerbebetrieb erforderlich sei. Stehe die alsbaldige Entfaltung zu einem vollkaufmännischen Betrieb bevor, dann gehöre auch die Vorbereitungstätigkeit schon zum Gewerbebetrieb, sodass auch ein in der Entwicklung befindlicher Betrieb als vollkaufmännischer Betrieb anzusehen sei, wenn die Entwicklung der Anlage eines solchen Betriebes entspreche und Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass das Unternehmen in Kürze eine entsprechende Ausgestaltung und Einrichtung erfahren werde.

Maßgebend sei, dass das betreffende Geschäft (im entschiedenen Sachverhalt der Abschluss eines Franchise-Vertrages) im Zuge der Aufnahme einer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit (sog. Existenzgründung) erfolge. Denn wer sich für eine bestimmte gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit entscheide und Geschäfte, die auf die Aufnahme der unternehmerischen Tätigkeit abzielten, abschließe, begebe sich bereits in den „schärferen Wind“ des unternehmerischen Geschäftsverkehrs. Er könne im Verhältnis zu seinen zukünftigen Geschäftspartnern und eventuell auch Konkurrenten nicht noch das „Schutzgehege“ der Verbrauchersphäre in Anspruch nehmen. Vor allem derjenige, der ein Unternehmen erwerbe oder einen Handelsvertreter- oder Franchisevertrag abschließe, um auf dieser Basis in Zukunft unternehmerisch tätig zu werden, könne für dieses „Startgeschäft“ nicht den „Verbraucherschutz“ in Anspruch nehmen.

Eine Gerichtsstandsvereinbarung gem. § 38 ZPO könne nach Ansicht der Richter des KG Berlin, Urteil vom 24. Mai 2023 – Aktenzeichen 26 U 78/21- auch bereits wirksam in dem Vertrag getroffen werden, der die dafür erforderliche Kaufmannseigenschaft erst begründe. § 38 ZPO sei daher auch auf Kaufleute im Existenzgründungsstadium anzuwenden. Für im Gründungsstadium abgeschlossene Verträge reiche es aus, dass das kaufmännische Unternehmen erst gegründet werde. Zur Beantwortung der Frage, ob ein Betrieb nach Art und Umfang kaufmännische Einrichtungen erfordert, müsse eine Gesamtwürdigung der Verhältnisse des betreffenden Betriebes durchgeführt werden. Von Relevanz seien daher u. a. die Zahl der Beschäftigten und die Art ihrer Tätigkeit, der Umsatz, das Anlage- und Betriebskapital, die Vielfalt der in dem Betrieb erbrachten Leistungen und der Geschäftsbeziehungen, die Inanspruchnahme von Kredit und die Teilnahme am Wechselverkehr. Entscheidend sei dabei das Gesamtbild des Betriebes, ohne dass notwendigerweise bei jedem dieser Merkmale das Erfordernis einer kaufmännischen Einrichtung gegeben sein müsste. Neben der bereinigten Umsatzzahl könne auch die Zahl der Mitarbeiter für eine kaufmännische Einrichtung sprechen.

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