Innergemeinschaftliche Lieferungen sind unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 Buchst. b und § 6a UStG steuerfrei. Die Voraussetzungen dafür sind unionsrechtlich zum 1. Januar 2020 angepasst worden. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat mit Schreiben vom 9. Oktober 2020 zu den geänderten Voraussetzungen Stellung genommen und den Umsatzsteueranwendungserlass (UStAE) entsprechend angepasst sowie auf die geänderte Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) hingewiesen. Diese wurde für den Belegnachweis und die daraus resultierende Steuerfreiheit um eine sog. Gelangensvermutung ergänzt.
Lieferungen an Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat, die dort der Erwerbsbesteuerung unterliegen, sind im Ausgangsmitgliedstaat als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei. Dazu müssen bestimmte, unionsrechtlich einheitlich vorgeschriebene, Voraussetzungen erfüllt und auch buch- und belegmäßig nachgewiesen sein. Nachdem der EuGH in seiner Rechtsprechung insbesondere die Notwendigkeit des Nachweises der USt-IdNr. des Leistungsempfängers als zwingende Voraussetzung für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung infrage gestellt hatte, wurden unionseinheitlich die Voraussetzungen für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung zum 1.1.2020 nachjustiert. Durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität wurden diese Vorgaben in das nationale Recht übernommen.
Mit dem Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019 wurden die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung in § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG sowie für deren Steuerfreiheit in § 4 Nr. 1 Buchstabe b UStG geändert. Daneben wurden in der UStDV die bisherigen Regelungen für den Belegnachweis für die Steuerfreiheit um eine Gelangensvermutung ergänzt (BMF, Schreiben v. 9.10.2020 – III C 3 – S 7140/19/10002 :007).
Im Anwendungserlass (UStAE) wurde u.a. folgendes geändert:
- In Abschnitt 3a.2 Absatz 10 wurde nach Satz 5 folgender Satz 6 eingefügt:
Ein positives Tun liegt auch dann vor, wenn der Leistungsempfänger (Erwerber bzw. Empfänger der Dienstleistung) die Erklärung über die Unternehmereigenschaft und den unternehmerischen Bezug objektiv nachvollziehbar vorgenommen hat und der Leistungsbezug vom Leistungsempfänger in zutreffender Weise erklärt worden ist, der leistende Unternehmer seinen Meldepflichten nach § 18a UStG nachgekommen ist und die Rechnung über die Leistung einen Hinweis auf die USt-IdNr., die nach § 18a Abs. 7 UStG in der Zusammenfassenden Meldung angegeben wurde, enthält.
- In Abschnitt 4.1.2 „Innergemeinschaftliche Lieferungen“ wurde ergänzt:
Nach Absatz 1 wird die Zwischenüberschrift „Zusammenfassende Meldung – Allgemeines “ eingefügt und folgender Absatz 2 angefügt:
Gem. § 4 Nr. 1 Buchstabe b UStG ist die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung davon abhängig, dass der Unternehmer seiner gesetzlichen Pflicht zur Abgabe einer Zusammenfassenden Meldung (ZM) gem. § 18a UStG nachkommt und diese im Hinblick auf die jeweilige Lieferung richtig und vollständig ist. Gibt der Unternehmer die ZM nicht richtig, vollständig oder fristgerecht ab, erfüllt er die Voraussetzung für die Steuerbefreiung nicht. Die Feststellung, dass die Voraussetzungen nicht erfüllt sind, kann immer erst nachträglich getroffen werden, da die Abgabe einer ZM zu einer innergemeinschaftlichen Lieferung immer erst später, nämlich bis zum 25. Tag nach Ablauf jedes Meldezeitraums, in dem die innergemeinschaftliche Lieferung ausgeführt wurde, erfolgt.
- Nach Absatz 2 wurde die Zwischenüberschrift „Zusammenfassende Meldung – Berichtigung “ eingefügt und folgender Absatz 3 angefügt:
Die Pflicht zur Berichtigung einer fehlerhaften ZM nach § 18a Abs. 10 UStG bleibt gemäß § 4 Nr. 1 Buchstabe b UStG unberührt. Eine fehlerhafte ZM ist gemäß § 18a Abs. 10 UStG innerhalb eines Monats zu berichtigen, wenn der Unternehmer nachträglich erkennt, dass die von ihm abgegebene ZM unrichtig oder unvollständig ist. Auf § 18a Abs. 7 Satz 2 UStG wird hingewiesen. Berichtigt der Unternehmer die fehlerhafte ZM für den Meldezeitraum, in dem die betreffende Lieferung ausgeführt wurde, nicht, ist die Steuerbefreiung für die betreffende Lieferung nachträglich zu versagen. Eine Berichtigung von Fehlern in einer anderen ZM als der ursprünglichen, führt zu keinem Aufleben der Steuerfreiheit für die betreffende Lieferung.
- Nach Abschnitt 6a.1 Absatz 18 wurde die Zwischenüberschrift „Verwendung einer von einem anderen Mitgliedstaat erteilten gültigen Umsatzsteuer – Identifikationsnummer (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG) “ und folgender Absatz 19 eingefügt:
- 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG bestimmt, dass eine innergemeinschaftliche Lieferung nur vorliegt, wenn der Abnehmer gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige USt-IdNr. verwendet. Zum Begriff der Verwendung vgl. Abschnitt 3a.2 Abs. 10 Sätze 2 bis 10. Die nachträgliche Verwendung einer im Zeitpunkt der Lieferung gültigen USt-IdNr. durch den Abnehmer entfaltet für Zwecke der Steuerbefreiung Rückwirkung. Die (ausländische) USt-IdNr. muss nicht durch den Mitgliedstaat erteilt worden sein, in dem die Beförderung oder Versendung endet. Die Regelung des § 3d Satz 2 UStG ist zu beachten. Wurde eine USt-IdNr. gegenüber dem Unternehmer verwendet, die von dem Mitgliedstaat erteilt wurde, in dem die Beförderung oder Versendung beginnt, liegt tatbestandlich keine innergemeinschaftliche Lieferung vor. Erteilt die Steuerverwaltung eines anderen Mitgliedstaates einem Organkreis nur eine USt-IdNr., ist diese bei der Verwendung durch die Organgesellschaft gegenüber einem inländischen Unternehmer anzuerkennen.
- Abschnitt 6a.1 Absatz 21 Satz 3 wurde wie folgt geändert:
Ebenso wie bei einer innergemeinschaftlichen Lieferung nach § 6a Abs. 1 UStG ist auch bei einem innergemeinschaftlichen Verbringen nach § 6a Abs. 2 UStG die Steuerbefreiung davon abhängig, dass der Vorgang in dem anderen Mitgliedstaat der Erwerbsbesteuerung unterliegt und das Verbringen in der ZM gem. § 4 Nr. 1 Buchstabe b UStG zutreffend erklärt wird.
- Abschnitt 6a.2 Absatz 2 wurde wie folgt gefasst:
Die §§ 17a (Gelangensvermutung bei innergemeinschaftlichen Lieferungen in Beförderungs- und Versendungsfällen), 17b UStDV (Gelangensnachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen in Beförderungs- und Versendungsfällen) und 17c UStDV (Nachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen in Bearbeitungs- oder Verarbeitungsfällen) regeln, mit welchen Belegen der Unternehmer den Nachweis zu führen hat. Werden die Voraussetzungen von § 17a UStDV erfüllt, wird widerlegbar vermutet, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde. Besteht keine Vermutung nach § 17a UStDV, hat der Unternehmer nach § 17b Abs. 1 UStDV bei innergemeinschaftlichen Lieferungen durch Belege nachzuweisen, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat. Die Voraussetzung muss sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben (sog. Belegnachweis). Hinsichtlich der übrigen Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG (z. B. Unternehmereigenschaft des Abnehmers, Verpflichtung des Abnehmers zur Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat), die auch nachgewiesen werden müssen, enthält die UStDV keine besonderen Regelungen für den Belegnachweis.
- Abschnitt 6a.2 Absatz 6 wurde wie folgt gefasst:
Die §§ 17a bis 17d UStDV regeln im Einzelnen, wie der Unternehmer die Nachweise der Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung zu führen hat. Während gemäß § 17a UStDV bei Vorliegen der Voraussetzungen widerlegbar vermutet wird, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde, gilt bei Erfüllung der Voraussetzungen von § 17b UStDV der Belegnachweis als erbracht (siehe Absatz 8). Zwischen § 17a UStDV einerseits und §§ 17b bzw. 17c UStDV anderseits besteht kein Vorrangverhältnis. Der Unternehmer kann den Belegnachweis entweder nach § 17a UStDV oder nach § 17b UStDV führen. …
Die Grundsätze dieses Schreibens sind erstmals auf innergemeinschaftliche Lieferungen anzuwenden, die nach dem 31.12.2019 bewirkt werden. Das vollständige BMF-Schreiben ist auf der Homepage des BMF veröffentlicht.