Wer die Spur wechselt und mit einem anderen Fahrzeug kollidiert, gilt regelmäßig als Unfallverursacher – und muss den Schaden ersetzen, es sei denn, ihm gelingt der Beweis eines anderen Unfallhergangs. Dieser Beweis ist aber oftmals schwer zu führen, so auch in einem kürzlich vom Landgericht Lübeck entschiedenen Sachverhalt.
In dem vom LG Lübeck entschiedenen Fall, fuhr ein Mann mit einer Limousine in Lübeck auf der rechten Fahrbahn einer zweispurigen Straße. Das Auto gehörte seiner Bekannten. Auf der linken Spur fuhr gleichzeitig ein Kompakt Van. Der Fahrer des Vans wechselte von der linken auf die rechte Spur – es kam zum Unfall. Die Eigentümerin der Limousine verlangte Ersatz der Reparaturkosten mit der Begründung, dass der Fahrer des Vans zu schnell gefahren sei und plötzlich nach rechts ausgeschert sei, dabei habe er nicht geblinkt. Dieser wendete ein, er habe an einer Ampel gestanden und sei – nach Schulterblick – bei grün losgefahren. Plötzlich sei die Limousine mit hoher Geschwindigkeit angefahren gekommen und habe sein Auto gestreift.
Das LG Lübeck gab der Eigentümerin der Limousine mit Urteil vom 15. November 2023 – Aktz. 10 O 171/22 – Recht. Der Fahrer des Vans habe einen typischen Spurwechsel vollzogen. Lebensnah sei daher davon auszugehen, dass er den Unfall verursacht habe. Vom Gegenteil habe sich das Gericht nicht überzeugen können. Die Beweisaufnahme habe nicht ergeben, dass die Limousine mit überhöhter Geschwindigkeit geführt worden war. Und ein hinzugezogener Sachverständiger habe festgestellt, dass die Limousine im Rückspiegel des Vans zu sehen gewesen sein muss. Der Van-Fahrer habe also entweder den Rückspiegel falsch eingestellt oder gar nicht erst hineingeschaut.
Zum rechtlichen Hintergrund: In § 7 Absatz 5 der Straßenverkehrsordnung (StVO) steht: In allen Fällen darf ein Fahrstreifen nur gewechselt werden, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Jeder Fahrstreifenwechsel ist rechtzeitig und deutlich anzukündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen.
Einen Fahrstreifen darf also nur wechseln, wer sich zuvor vergewissert hat, dass dieser Fahrstreifen frei ist. Häufig passieren Unfälle im Zusammenhang mit einem Spurwechsel nach einem typischen Muster. Deshalb haben Gerichte den sogenannten „Anscheinsbeweis“ entwickelt. Bei einem solchen typischen Unfallverlauf ist bei lebensnaher Betrachtungsweise davon auszugehen, dass die spurwechselnde Person den Unfall verursacht hat. Um doch nicht zu haften, müsste die spurwechselnde Person diese Annahme widerlegen.