Gemäß § 87a Abs. 3 Satz 1 HGB hat der Handelsvertreter grundsätzlich Anspruch auf die vertraglich vereinbarte Provision – selbst wenn der Unternehmer das Geschäft nicht oder nur teilweise ausführt.
Dennoch verweigern viele Unternehmen die Provisionszahlung, etwa bei Nichtauslieferung der Ware, Stornierungen oder Retouren. Dies geschieht entweder aus Unkenntnis oder weil sie sich nicht zur Zahlung verpflichtet fühlen. Auch zahlreiche Handelsvertreter machen ihren Anspruch oft nicht geltend – sei es aus Unsicherheit oder aus Sorge, die Geschäftsbeziehung zu gefährden. Häufig werden entsprechende Forderungen erst nach Beendigung des Vertragsverhältnisses eingefordert.
Wann besteht der volle Provisionsanspruch?
Der Handelsvertreter behält seinen Provisionsanspruch auch dann, wenn die bestellte Ware nicht oder nur teilweise geliefert wird oder wenn es zu Stornierungen oder Retouren kommt. Der Anspruch entfällt nur, wenn der Unternehmer nachweisen kann, dass er die Nichtausführung nicht zu vertreten hat. Dabei geht es nicht nur um Vorsatz oder Fahrlässigkeit (§§ 276, 278 BGB), sondern um eine weitreichendere Haftung für unternehmerische Risiken.
Was zählt zur Risikosphäre des Unternehmers?
Das Gesetz schützt den Handelsvertreter davor, dass er seinen Provisionsanspruch aufgrund von Umständen verliert, die er nicht beeinflussen kann. Folgende Situationen fallen in die unternehmerische Risikosphäre und führen somit nicht zum Verlust des Provisionsanspruchs:
- Lieferschwierigkeiten bei Vorlieferanten: Verzögerungen oder Engpässe bei Zulieferern sind dem Unternehmen zuzurechnen, sofern keine höhere Gewalt vorliegt. Auch Preisschwankungen bei Rohstoffen entbinden den Unternehmer nicht von der Verpflichtung zur Lieferung.
- Betriebliche Überlastung: Produktionsengpässe, Personalmangel oder technische Ausfälle (außer durch höhere Gewalt) sind unternehmerische Risiken, die der Unternehmer zu tragen hat.
- Auftragsmangel: Wenn das Unternehmen aufgrund zu geringer Bestellungen beschließt, eine Produktion nicht durchzuführen, bleibt der Provisionsanspruch bestehen. Dies betrifft insbesondere Branchen mit saisonalen Schwankungen, wie die Bekleidungsindustrie.
- Stornierung auf Kundenwunsch: Ein Unternehmen ist rechtlich nicht verpflichtet, einer Stornierung zuzustimmen. Tut es dies dennoch, bleibt die Provision fällig – selbst wenn ein wichtiger Kunde droht, die Geschäftsbeziehung zu beenden. Ausnahmen bestehen nur in besonderen Fällen, etwa wenn ein Auftrag unter wirtschaftlich unzumutbaren Bedingungen erteilt wurde und ein späterer Preisverfall dem Kunden unverhältnismäßige Verluste bringen würde.
- Retouren: Rücksendungen sind provisionsrechtlich wie Nichtauslieferungen zu bewerten und gehören grundsätzlich zur Risikosphäre des Unternehmens. Dies gilt insbesondere für Retouren aufgrund von Mängeln, verspäteter Lieferung oder freiwilliger Rücknahme.
Durchsetzung des Provisionsanspruchs
Handelsvertreter zögern oft, ihre Provisionsansprüche während der Vertragslaufzeit durchzusetzen, um die Geschäftsbeziehung nicht zu gefährden. Dennoch gehen ihnen diese Ansprüche nicht verloren. Die gesetzliche Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt am Jahresende, in dem der Anspruch fällig wurde und der Handelsvertreter davon Kenntnis hatte. In manchen Fällen kann der unverjährte Zeitraum somit fast fünf Jahre betragen.
Unternehmen argumentieren gelegentlich, dass der Handelsvertreter durch jahrelanges Stillhalten sein Recht auf Provision verwirkt habe. Die Rechtsprechung lässt diesen Einwand jedoch nicht gelten: Allein durch widerspruchsloses Hinnehmen der Provisionsabrechnungen kann der Handelsvertreter nicht stillschweigend auf seine Ansprüche verzichten. Eine eindeutige Verzichtserklärung wäre erforderlich. Dies bestätigt auch der Bundesgerichtshof, der in seiner aktuellen Rechtsprechung nicht mehr nach Unternehmensgröße des Handelsvertreters differenziert.
Buchauszug als Hilfsmittel zur Durchsetzung
Neben dem Provisionsanspruch besteht ein Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs (§ 87c Abs. 2 HGB), um die Richtigkeit der Abrechnungen zu überprüfen. Oft zeigt sich erst dadurch, dass erhebliche Provisionsansprüche offenstehen. In manchen Fällen können diese sogar den Betrag eines möglichen Ausgleichsanspruchs übersteigen.
Fazit
Handelsvertreter haben grundsätzlich auch bei Nichtauslieferungen, Teillieferungen, Stornos und Retouren Anspruch auf volle Provision. Nur in seltenen Ausnahmefällen kann dies anders sein. Sobald ein Geschäft abgeschlossen wurde, ist der Weg zum Provisionsanspruch geebnet. Handelsvertreter sollten ihre Rechte aktiv wahrnehmen und – wenn nötig – nach Vertragsende rückwirkend offene Ansprüche geltend machen. CDH Mitglieder können sich dafür der Unterstützung durch ihren CDH Landesverbande sicher sein.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Handelsvertreter hat grundsätzlich Anspruch auf die vertraglich vereinbarte Provision – selbst wenn der Unternehmer das Geschäft nicht oder nur teilweise ausgeführt hat.
- Zahlreiche Handelsvertreter machen ihre nicht abgerechneten Provisionsansprüche oft nicht geltend – sei es aus Unsicherheit oder aus Sorge, die Geschäftsbeziehung zu gefährden.
- Der Provisionsanspruch entfällt nur, wenn der Unternehmer nachweisen kann, dass er die Nichtausführung nicht zu vertreten hat.
- Das Gesetz schützt den Handelsvertreter davor, dass er seinen Provisionsanspruch aufgrund von Umständen verliert, die er nicht beeinflussen kann.