Mängel und Ungenauigkeiten in Fahrtenbüchern führen immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den betroffenen Unternehmern und der Finanzverwaltung. Sofern keine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben vorliegt, wendet das Finanzamt die 1-%-Regelung an, welche sich in den meisten Fällen erheblich zu Ungunsten des Steuerpflichtigen auswirkt. Ein Urteil des Finanzgerichtes Niedersachsen hat sich mit den Folgen von kleineren Mängeln bei der Fahrtenbuchführung befasst.
In einem vor dem Niedersächsischen Finanzgericht (FG), Urteil vom 16.06.2021 – Aktz. 9 K 276/19 ausgetragenen Streitfall hatte ein Steuerpflichtiger ein Fahrtenbuch geführt, welches kleinere Mängel (im Streitfall: Verwendung von Abkürzungen für Kunden und Ortsangaben; fehlende Ortsangaben bei Übernachtung im Hotel; Differenzen aus dem Vergleich zwischen den Kilometerangaben im Fahrtenbuch und laut Routenplaner; keine Aufzeichnung von Tankstopps) aufwies. Aus Sicht des zuständigen Finanzamtes hatten diese Mängel die Anwendung der 1-%-Regelung gerechtfertigt. Das FG widersprach diesem Vorgehen in seiner jüngsten Entscheidung.
Nach Auffassung der Finanzrichter waren im entschiedenen Fall die Angaben, trotz der aufgeführten Mängel, insgesamt schlüssig und damit auch steuerlich anzuerkennen.
Bei Einzelfällen sei es Aufgabe des Finanzamtes, fehlende Angaben aus vorliegenden Unterlagen zu ermitteln, sodass Unklarheiten aufgeklärt werden können. Sofern die gemachten Angaben in dem jeweiligen Einzelfall noch glaubhaft sind, darf nicht zur 1-%-Regelung gewechselt werden.
Nach Auffassung des FG sei diese aufgrund einer möglichen Übermaßbesteuerungen nicht leichtfertig anzuwenden. Die Finanzrichter wiesen insoweit darauf hin, dass die Anforderungen an das ordnungsgemäße Führen eines Fahrtenbuches nicht überspannt werden dürfen, damit aus der widerlegbaren Typisierung der 1%-Regelung in der Praxis nicht eine unwiderlegbare Typisierung wird. Gerade im Hinblick auf die stark typisierende 1%-Regelung wäre dies aus verfassungsrechtlichen Gründen – es droht eine Übermaßbesteuerung – nicht zu rechtfertigen. Der BFH (etwa Urteil vom 13. Dezember 2012 – VI R 51/11, BFHE 240, 69, BStBl II 2013, 385) stützt die Verfassungsmäßigkeit der 1%-Regelung als „grober Klotz“ mit teilweise stark belastender Wirkung u.a. auf die Möglichkeit, zur Vermeidung einer Übermaßbesteuerung ein Fahrtenbuch zu führen (sog. Escape-Klausel).
Auch wenn viele der vom Finanzamt des vorliegenden Falles kritisierten Punkte tatsächlich keine zwingende Erfordernis darstellen dürften (z.B. die Pflege von Tankstopps, eine 100% deckungsgleiche Kilometerstandsangabe, usw.) ist dennoch zu empfehlen, das Fahrtenbuch so gründlich und gewissenhaft wie möglich zu führen.