Der Fahrer eines Kleinbusses wollte nach rechts in eine zweispurige Straße einbiegen. Da vor ihm ein anderer Rechtsabbieger in die rechte Fahrspur einfahren wollte, entschied sich der Kleinbus-Fahrer dazu, in die linke Fahrspur einzufahren. Zur gleichen Zeit wollte der Pkw-Fahrer als Linkabbieger ebenfalls in die linke Fahrspur einfahren. Es kam zu einem Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge. Nachfolgend klagte der Halter des Kleinbusses gegen Fahrer des Pkw und dessen Haftpflichtversicherung auf Zahlung von Schadensersatz.
Das Amtsgericht Brandenburg entschied zu Gunsten des Klägers mit Urteil vom 27.05.2022 unter dem Aktenzeichen 31 C 290/20. Ihm stehe ein Anspruch auf Schadensersatz zu. Der Beklagte habe eine Vorfahrtsverletzung begangen, als er entgegen § 9 Abs. 4 StVO den bevorrechtigten, rechtsabbiegenden klägerischen Kleinbus nicht durchfahren ließ. Wer nach links abbiegen will, müsse entgegenkommende Fahrzeug, die nach rechts abbiegen wollen, durchfahren lassen.
Dem Fahrer des Kleinbusses sei es nach Ansicht des Amtsgerichts nicht untersagt gewesen, an dem vor ihm fahrenden Rechtsabbieger vorbei auf die linke Fahrspur zu fahren. Ist die Straße, in die abgebogen werden soll, zweispurig, so habe der bevorrechtigte Rechtsabbieger grundsätzlich auch ein Wahlrecht, welchen Fahrstreifen er dort befahren will. Das Vorfahrtsrecht des Rechtsabbiegers beziehe sich auf beide Fahrspuren. Darauf müsse sich ein Linkabbieger einstellen. Er dürfe nicht darauf vertrauen, der Rechtsabbieger werde nur in den rechten Fahrstreifen abbiegen.
Nach Auffassung des Amtsgerichts liege auch kein Fahrstreifenwechsel gemäß § 7 Abs. 5 StVO durch den Fahrer des Kleinbusses vor. Die linke Fahrspur der einbiegenden Straße stelle sich lediglich als Fortsetzung der linken Rechtsabbiegerspur dar. Es liege lediglich ein Überfahren von Leitlinien bei der Ausübung des Vorfahrtsrechts vor.