Der Brexit und mögliche Folgen für den Vertrieb

Zwei Bereiche, die mit am stärksten vom bevorstehenden Brexit betroffen sein werden, sind der Warenhandel und die produzierende Industrie – und damit auch deren Vertrieb.

Für derzeit bestehende Vertriebsverträge, die den deutsch-britischen Handel betreffen, ist entscheidend, ob es nicht doch noch zu einem „Deal“ in Gestalt eines Freihandels- beziehungsweise Assoziierungsabkommens oder zur Vereinbarung einer Zollunion im Rahmen eines Übergangszeitraumes kommt. Dabei geht es in erster Linie gar nicht mal um die vertriebsrechtlichen Auswirkungen, sondern um die drastischen Folgen, die ein sogenannter harter Brexit für den Handel zwischen Großbritannien und Deutschland sowie den gesamten weiteren EU-Staaten haben wird. Denn Großbritannien wäre dann im Bereich des gesamten Warenhandels nicht anders zu behandeln als beispielsweise die USA, nämlich als sogenannter Drittstaat.

Dies ist bedeutet für Handelsvertretungen, die britische Hersteller in Deutschland oder auch in anderen EU-Staaten vertreten, eine große Herausforderung. Denn die Verteuerung der gelieferten Produkte durch Zollaufschläge und auch das baldige Fehlen des EU-Ursprunges können schnell zum Handicap für den Vertrieb von britischen Produkten auf dem deutschen und den Märkten der anderen EU-Staaten werden.

Für das Handelsvertreter- und Vertriebsrecht kommt es nach einem Brexit darauf an, ob Großbritannien dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) in Zukunft beitreten wird. Das ist deshalb so entscheidend, da aufgrund dieses Abkommens auch die Handelsvertreterrichtlinie für die EWR Mitgliedsstaaten gilt. Für Großbritannien wäre damit die Option verschlossen, die „Commercial Agents (Council Directive) Regulations 1993“ aufzuheben, mit welcher Großbritannien die Handelsvertreterrichtlinie in nationales Recht im Jahre 1993 umgesetzt hatte.  Für in Großbritannien unter der Geltung von britischem Recht tätige Handelsvertreter hätte dies zur Folge, dass auf das Vertragsverhältnis weiterhin der Schutz der Handelsvertreterrichtlinie Anwendung fände.

Schutzrechte der Handelsvertreterrichtlinie stehen auf dem Spiel

Der umgekehrte Fall, nämlich dass der Austritt Großbritanniens aus der EU ohne einen gleichzeitigen Beitritt zum EWR erfolgen wird,  ist unter dem Blickwinkel des Vertriebsrechtes komplizierter. Für Verträge deutscher Unternehmen, die ihrem Handelsvertreter in Großbritannien im Vertrag die Anwendbarkeit deutschen Rechtes vorschreiben, ist im deutschen Recht § 92c HGB zu beachten. Gemäß diesem Paragraphen kann von allen zwingenden Regelungen der §§ 84 ff. HGB abgewichen werden, wenn der Vertriebspartner außerhalb des EWR tätig ist. Danach könnte somit zum Beispiel der Ausgleichsanspruch in Zukunft wirksam ausgeschlossen werden. Unterfällt der Handelsvertretervertrag hingegen britischem Recht ist für in Großbritannien tätige Handelsvertreter entscheidend, wie sich Großbritannien nach dem Austritt im Hinblick auf seine nationale Handelsvertretergesetzgebung verhält. Wird die sog. „Commercial Agents Regulations 1993“ aufgehoben, was aus dem Verhalten Großbritanniens anlässlich des Überprüfungsverfahrens der Handelsvertreterrichtlinie im Zuge des REFIT Programms der EU-Kommission nicht gerade unwahrscheinlich erscheint, gehen für den in Großbritannien unter dortigem Recht tätigen Handelsvertreter so ziemlich alle bisherigen Schutzrechte verloren. Das „case law“ der früheren Jahre käme wieder zur Anwendung, welches die Schutzvorschriften der Handelsvertreterrichtlinie nicht kennt. Anders sieht dies für in Deutschland nach britischem Recht tätige Handelsvertreter aus, da hier der Schutz der Handelsvertreterrichtlinie nach wie vor besteht.

Zusammenfassend wird deutlich, dass gerade den Vertrieb der Brexit noch lange Zeit in Atem halten wird und aufkommende Handelsbeschränkungen letztlich ebenfalls den Ausschlag geben werden, ob derzeit bestehende Vertriebsverträge zwischen in Deutschland ansässigen Handelsvertretern und Herstellern in Großbritannien und umgekehrt fortbestehen werden.