Die Übernahme einer attraktiven Vertretung ist für den Handelsvertreter oftmals nur durch Zahlung eines „Einstandes“ möglich. Einstandszahlungen dienen meist der internen Abwälzung eines vom Unternehmer an den zuvor ausgeschiedenen Handelsvertreter gezahlten Ausgleichs. Sie kommen aber nicht selten auch ganz unabhängig davon vor, ob der Unternehmer überhaupt einen Ausgleich gezahlt hatte. Der Unternehmer will sich in diesem Fall, eine in der Zukunft fällige Ausgleichslast sozusagen durch den Handelsvertreter selbst vorfinanzieren lassen.

Und hier liegt genau die Problematik. Durch eine solche Zahlungsverpflichtung wird das gesetzliche Leitbild der Risikoverteilung im Handelsvertreterrecht unangemessen verschoben, wenn diese nicht durch die Regelung eines „hinreichend gewichtigen Vorteils“ austariert, oder nicht in sonstiger Weise ein Ausgleich der Vor- und Nachteile herbeigeführt wird.

In einer grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs wurde die grundsätzliche Gültigkeit derartiger Zahlungsvereinbarungen für die Übernahme eines Handelsvertretervertrages festgestellt. Entscheidend für die wirksame Vereinbarung einer Einstandszahlung ist allerdings immer, dass keine bloße Ausgleichsumgehung, keine unangemessene Benachteiligung des zahlungsverpflichteten Handelsvertreters und auch keine Sittenwidrigkeit vorliegen. Die einschlägige Rechtsprechung untersucht den jeweiligen Sachverhalt daher immer daraufhin, ob der nachteiligen Zahlungsverpflichtung des Handelsvertreters ein irgendwie gearteter Vorteil gegenüber steht, der als wirkliche Gegenleistung des Unternehmers anzuerkennen ist.

Paradebeispiel Neukundenklausel

Als eine derartige Gegenleistung des Unternehmers ist in der Rechtsprechung die Vertragsvereinbarung anerkannt, dass die übernommenen Altkunden mit der Zahlung des Einstands als vom Handelsvertreter selbst geworbene Neukunden gelten. Bei der Berechnung eines künftigen Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters sind die übernommenen Altkunden, dann den selbst geworbenen Neukunden gleichzustellen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu wissen, dass alleine die Tatsache, dass der Handelsvertreter zu Beginn seiner Tätigkeit für die Überlassung des Vertretungsgebietes und für die vorhandenen Kunden eine Einstandszahlung geleistet hat, die bei Beginn vorhandenen Altkunden noch nicht zu ausgleichsfähigen Neukunden macht.

Der Bundesgerichtshof hatte bereits vor längerer Zeit festgestellt, dass trotz einer vom Handelsvertreter geleisteten Zahlung für die übernommenen Altkunden bei der Ausgleichsberechnung diese nur dann berücksichtigt werden können, wenn die Vertragsparteien ausdrücklich vereinbart haben, dass diese als Neukunden gelten sollen. Hieraus wird deutlich, dass durch die Zahlung allein eine Neukundenabrede nicht getroffen wird. Eine ausdrückliche vertragliche Neukundenregelung ist damit immer erforderlich, wenn auf dieser aufbauend eine wirksame Einstandszahlungsvereinbarung getroffen werden soll.

Unangemessen hoher Übernahmepreis

Wird ein sehr hoher Übernahmepreis vereinbart, kann dies auf eine Umgehung des unabdingbaren gesetzlichen Ausgleichsanspruchs hinauslaufen. Ein Verstoß gegen § 89 b Abs. 4 HGB, den sogenannten Unabdingbarkeitsgrundsatz, macht eine derartige Einstandszahlungsvereinbarung dann unwirksam. So lag es in einem Fall, den das OLG Celle bereits vor längerer Zeit zu entscheiden hatte. Die vereinbarte Einstandssumme lag im entschiedenen Sachverhalt nur unwesentlich unter der durchschnittlichen Jahresprovision des Vorgängerhandelsvertreters. Das Gericht unterstellte den Vertragsparteien in diesem Fall, dass sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses davon ausgegangen seien, dass ein späterer Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters allenfalls in dieser Größenordnung entstehen werde. Die Vereinbarung einer auf die Umgehung des gesetzlichen Ausgleichsanspruchs hinauslaufenden hohen Einstandssumme verstoße gegen § 89 b Abs. 4 S. 1 HGB – so die Richter des OLG Celle.

Dieser rechtlichen Beurteilung stehe auch nicht entgegen, dass der Handelsvertreter wählen konnte, die Einstandssumme durch den fortlaufenden Einbehalt von 20 % seiner Provisionen abzutragen, statt sich diese bis zur Beendigung des Handelsvertretervertrages stunden zu lassen. Denn zum einen sei das formelle Wahlrecht der Art der Erfüllung faktisch dadurch eingeschränkt, dass sich jeder wirtschaftlich denkende Handelsvertreter, der den Bezirk neu übernimmt, für die zur Wahl gestellte Stundung bis zur Beendigung des Vertragsverhältnisses entscheiden werde. Anderenfalls liefe der Handelsvertreter in Unkenntnis der tatsächlich zu beanspruchenden Provisionen Gefahr, in wirtschaftliche Not zu geraten, wenn ihm jeweils 20 % der Provisionen abgezogen würden. Zum anderen würde auch der fortlaufende Einbehalt von 20 % der Provisionen zur Folge haben, dass der Handelsvertreter etwa ein Jahr umsonst für den Unternehmer arbeiten müsse und ein durchsetzbarer Ausgleichsanspruch lediglich dazu dienen würde, die vorangegangenen, durch den monatlichen Abtrag entstandenen Provisionsverluste auszugleichen.

Sittenwidrigkeit

Ebenfalls kann sich nach § 138 BGB sogar die Sittenwidrigkeit einer Einstandsvereinbarung ergeben, wenn zwischen der Höhe der übernommenen Abfindungsverpflichtung und den auf der Grundlage des Handelsvertretervertrages zu erwartenden Provisionsforderungen ein auffälliges, den Handelsvertreter ungebührlich benachteiligendes Missverhältnis besteht.

Einen weiteren Gesichtspunkt bei der zutreffenden Bemessung der Höhe einer Einstandszahlung ist eine mögliche Anfechtbarkeit bei zugrunde gelegten falschen Umsatzzahlen. Denn der Handelsvertreter ist berechtigt seinen Vertrag wegen arglistiger Täuschung nach Maßgabe des § 123 BGB anzufechten, wenn die bei Vertragsschluss genannten Umsatzzahlen deutlich – hier können nach der Rechtsprechung bereits 10 % ausreichend sein – von den tatsächlichen Umsatzzahlen abweichen. Will man die Anfechtbarkeit des Handelsvertretervertrages vermeiden, ist daher für die Bemessung einer Einstandszahlung von realistischen und belegbaren Umsatzzahlen auszugehen.

Amortisationsgedanke – vorzeitige Vertragsauflösung

Wird der Handelsvertretervertrag nach kürzerer Zeit wieder aufgelöst, und war es dem Handelsvertreter aus diesem Grund nicht möglich seine geleistete Einstandszahlung zu amortisieren, muss der vertretene Unternehmer damit rechnen, dass der Handelsvertreter von der restlichen Zahlung des Einstandes frei gestellt wird bzw. auch die Rückzahlung seiner bereits geleisteten Einstandszahlung verlangen kann. So hat der Bundesgerichtshof in einem bereits längere Zeit zurückliegenden Urteil auf eine teilweise Erstattung der geleisteten Zahlungen erkannt. Auch das OLG Stuttgart entschied in einem ähnlichen Fall, dass der vertretene Unternehmer im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zur Erstattung eines Anteils der geschuldeten Einstandszahlung des Handelsvertreters verpflichtet sei, sofern dem Handelsvertreter die Nutzung des übernommenen Kundenstamms in dem vertraglich vorausgesetzten Ausmaß nicht möglich gewesen wäre. Laut einer Entscheidung des OLG München enthält eine Einstandsvereinbarung, die eine Regelung über die Verpflichtung zur Leistung der Einstandszahlung nicht für den Fall vorsieht, dass der Vertrag vor Amortisation der Abstandssumme durch Kündigung des vertretenen Unternehmers beendet wird, sogar eine Regelungslücke. Im vom OLG München entschiedenen Fall führte dies dazu, dass der Handelsvertreter wegen Produktionstops des Unternehmers einen vertraglichen Ausgleichsanspruch bis zur vollen Amortisation der geleisteten Einstandszahlung beanspruchen konnte.

Die Richter des OLG Düsseldorf gingen in einem ähnlichem Sachverhalt davon aus, dass die in einer Einstandsvereinbarung vorgesehene Zahlungspflicht nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage entfällt, wenn der Handelsvertretervertrag vor vollständiger Amortisation beendet wird.

Kündigungserschwerung nicht zulässig

Eine Einstandsvereinbarung, nach der der Handelsvertreter zur Zahlung eines Einstandsbetrages für die Übernahme der Vertretung verpflichtet ist, und zwar auch hinsichtlich eines noch nicht amortisierten Teils, wenn er den Handelsvertretervertrag kündigt, kann ebenfalls gegen § 89a Abs. 1 S. 2 HGB verstoßen und daher unwirksam sein. Denn laut § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB darf das Recht auf fristlose Kündigung weder beschränkt noch ausgeschlossen werden. Das Verbot betrifft dabei nicht nur vertragliche Regelungen, nach denen lediglich bestimmte von den Parteien festgelegte Sachverhalte als wichtiger Kündigungsgrund gelten sollen oder die Kündigung nur innerhalb genau bestimmter Fristen ausgesprochen werden darf. Die Vereinbarung einer Einstandszahlung ist daher  geeignet, das Recht des Handelsvertreters zur Kündigung aus wichtigem Grund zu beschränken, wenn sie u.a. vorsieht, dass dem Unternehmer für den Fall einer vom Handelsvertreter ausgesprochenen vorzeitigen Kündigung der noch nicht durch Provisionseinbehalte getilgte Restbetrag der Einstandssumme zustehen soll. Damit sieht sich der Handelsvertreter bei einer vorzeitigen Kündigung der Fälligkeit der gesamten noch offenstehenden Forderung aus der Verpflichtung zur Einstandszahlung gegenüber, ohne die Möglichkeit zu haben, diese Kosten aus vermittelten Geschäften mit den von seinem Vorgänger übernommenen oder den von ihm selbst neu geworbenen Kunden zu bestreiten. Es besteht deshalb die Gefahr, dass der Handelsvertreter die Kündigung allein im Hinblick auf die noch ausstehende Zahlungspflicht unterlässt. Damit wird das außerordentliche Kündigungsrecht des Handelsvertreters entgegen der Vorschrift des § 89 a Abs. 1 Satz 2 HGB verbotswidrig erschwert.

Schlussbemerkung

Aus der Sicht des Handelsvertreters ist der „Einstand“ für die Übernahme einer Vertretung eine echte Investition, die gut überlegt werden sollte. Daher sollte sich die Höhe einer Einstandszahlung an zutreffenden vom vertretenen Unternehmen zu belegenden Umsatzzahlen orientieren. Nach der ständigen Rechtsprechung ist dabei die Festlegung auf eine vorherige durchschnittliche Jahresprovision entschieden zu hoch gegriffen. Als „austarierender“ Vorteil für die Vereinbarung einer wirksamen Einstandszahlung ist die in der Rechtsprechung bereits längere Zeit anerkannte, Aufnahme einer sog. Neukundenklausel in den Handelsvertretervertrag zu empfehlen. Um Streitigkeiten bei einer Vertragsbeendigung in den ersten Jahren vor Amortisation der Einstandszahlung zu verhindern, sollte für die Fälle einer vorzeitigen Vertragsbeendigung eine ausdrückliche Regelung im Handelsvertretervertrag getroffen werden. Damit sind die realen wirtschaftlichen Risiken, gerade in der heutigen Zeit die Insolvenz des vertretenen Unternehmens, noch nicht abgesichert. Auch hier gibt es gewisse vertragliche Möglichkeiten, die eine umfassende Beratung des Handelsvertreters erforderlich machen. CDH-Mitglieder sollten daher vor Unterzeichnung einer solchen Vereinbarung in jedem Fall die Beratung ihres CDH-Landesverbandes in Anspruch nehmen.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Der „Einstand“ für die Übernahme einer Vertretung ist aus Sicht des Handelsvertreters eine echte Investition, die gut überlegt werden sollte.
  • Der nachteiligen Zahlungsverpflichtung des Handelsvertreters muss ein irgendwie gearteter Vorteil wie z.B. eine vereinbarte sog. Neukundenklausel, gegenüber stehen.
  • In einer Einstandsvereinbarung sollte eine Regelung für den Fall vorgesehen werden, dass der Vertrag vor Amortisation der Abstandssumme durch Kündigung des vertretenen Unternehmers beendet

Die Beratung im Vertriebsrecht, insbesondere auch eine Überprüfung Ihrer Handelsvertreterverträge ist eine der wesentlichen Leistungen der CDH Organisation für Mitglieder.

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