Die Ausgleichszahlung, die der Unternehmer dem Hauptvertreter in dem Umfang gezahlt hat, in dem der Untervertreter Kundschaft geworben hat, kann für den Hauptvertreter einen erheblichen Vorteil darstellen und somit einen eigenen Ausgleichanspruch des Untervertreters gegen den Hauptvertreter begründen.

EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2022 Aktenzeichen C – 593/21

Die Ausgleichszahlung, die der Unternehmer dem Hauptvertreter in dem Umfang gezahlt hat, in welchem der Untervertreter neue Kunden geworben hat, kann für den Hauptvertreter laut einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 13. Oktober 2022 unter dem Aktenzeichen C – 593/21 einen erheblichen Vorteil i. S. v. Art. 17 Abs. 2 Buchst. a erster Gedankenstrich der Handelsvertreterrichtlinie darstellen. Denn der Begriff „erhebliche Vorteile“ könne alle Vorteile umfassen, die derUnternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses aus den Anstrengungen des Handelsvertreters ziehe, einschließlich der Ausgleichsabfindung, die er von seinem eigenen Unternehmer erhalten habe.

Eine enge Auslegung in Fällen, in denen die Beendigung der Vertragsbeziehung u.a. die Folge einer Unternehmensveräußerung oder der Übertragung des Geschäftsvermögens des Unternehmers sei und in denen der Preis je nach Gewichtigkeit des Kundenstammes variiere, könne den Handelsvertreter um Entschädigungen in Bezug auf den Geschäftswert bringen, den er dem Unternehmer immerhin verschafft habe. Folglich sei davon auszugehen, dass eine Auslegung, wonach der Begriff „erhebliche Vorteile“ eine Ausgleichszahlung nicht umfasse, die der Unternehmer in dem Umfang erhalten habe, in dem der Handelsvertreter Kundschaft geworben habe, für die dieser nicht mehr vergütet werde, dem mit der Handelsvertreterrichtlinie verfolgten Ziel des Schutzes des Handelsvertreters zuwiderliefe.

Um dem vorlegenden Gericht allerdings eine vollständige Antwort geben zu können, sei aus Sicht des EuGH jedoch noch zu klären, ob sich der Umstand, dass der Untervertreter im vorgelegten Verfahren selbst Handelsvertreter des Unternehmers geworden sei, auf seinen Anspruch auf die in dieser Bestimmung vorgesehene Ausgleichszahlung auswirke. Der Handelsvertreter habe nämlich nur Anspruch auf eine Ausgleichsabfindung, wenn und soweit die Zahlung eines solchen Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter entgehenden Provisionen aus Geschäften mit von ihm geworbenen Kunden oder mit Kunden, mit denen er die Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert habe, der Billigkeit entspreche. Wenn jedoch dem  Handelsvertreter weiterhin dieselben Kunden für dieselben Produkte aber für Rechnung eines anderen Unternehmers zur Verfügung stehen, könne die Zahlung eines Ausgleichs nicht der Billigkeit entsprechen, weil ja der spezifische Schaden, den er ausgleichen solle, nicht vorliege, da der Handelsvertreter seine Kunden nicht verliere.

Wenn also der Untervertreter seine Tätigkeiten als Handelsvertreter gegenüber denselben Kunden und für dieselben Produkte, aber im Rahmen einer unmittelbaren Beziehung zu dem Unternehmer fortsetze, und zwar anstelle des Hauptvertreters, der ihn zuvor eingestellt habe, erleide dieser Untervertreter durch die Beendigung seines Handelsvertretervertrags mit diesem Hauptvertreter keine unmittelbaren negativen Folgen. Der EuGH betonte allerdings, dass es nunmehr Sache des nationalen Gerichts sei, die Billigkeit der Zahlung der Ausgleichsabfindung unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls, mit dem es befasst sei, zu beurteilen.

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